Mondstahl - Die Schlucht (German Edition)
aufstocken.“
Die Wachleute schienen nicht wirklich interessiert an den beiden zu sein. Der Schweinsgesichtige nickte einem dritten im Pförtnerhaus zu und kurz darauf öffnete sich das Tor.
Als sie eintraten, weiteten sich Parus Augen beeindruckt. Noch nie hatte er so prächtige Häuser gesehen. Die penible Sauberkeit und die Makellosigkeit der Hausfassaden verschlugen ihm den Atem. Unbewusst drehte er sich einmal um die eigene Achse und ließ den Blick schweifen. Neben der gepflegten Straße verliefen zwei Rinnsale, die in die städtische Kanalisation führten, von wo aus das Wasser in einen nahen Fluss und schließlich ins Meer getragen wurde.
„Diese Stadt ist wunderschön. Ich habe so etwas noch nie gesehen…“
Galenis schien seine Begeisterung nicht zu teilen. Er schnaubte aus.
„Nicht jeder Teil dieser Stadt ist so schön. Es gibt auch Viertel, in denen Armut herrscht. Das hier ist der Zuckerguss, darunter sieht es mitunter anders aus. Hier wohnen die reichen und respektierten Bürger Elarons.“
Parus bemerkte den verbitterten Unterton in Galenis Stimme.
„Es hört sich fast so an, als hättest du schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht.“
„Ich? Nein. Ich habe weder schlechte, noch gute Erfahrungen mit ihnen gemacht. Im Gegenteil. Ich habe noch nie einen von ihnen aus einer Entfernung von weniger als zehn Metern gesehen. Sie geben sich ungern mit gemeinem Volk ab, zauberkundig oder nicht. Das Problem ist aber nicht, dass sie reich sind, sondern wie sie es geworden sind.“
Während sie an den prächtigen Fassaden vorbeigingen, lauschte Parus aufmerksam.
„Dieser Bezirk ist mit Abstand der jüngste. Elaron ist keine natürlich gewachsene Stadt. Anfangs war sie kaum mehr als die Schlucht und eine Ansiedlung Goldgräber, die sich in das Gebirge hineinwagten, um den einen oder anderen Klumpen kostbaren Metalls zu erbeuten.“
Galenis nickte nach Norden, auf die mittlerweile deutlich sichtbaren Felshänge hinter der Stadt.
„Das alles klingt abenteuerlich, aber die Menschen die hierher kamen zahlten einen hohen Preis für die Chance auf etwas Eisen- oder Kupfererz. Die Schlucht ist ein gefährlicher Ort und hunderte kamen nicht wieder zurück. Außerhalb der Schlucht, im Ur-Elaron, herrschte Armut, Krankheit und Verbrechen. Wer zu etwas Geld kam, nahm es und ging damit in den Norden.“
Parus ließ den Blick abermals schweifen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie aus tiefer Armut und Gefahr etwas so schönes entstehen konnte. Galenis schien seine Gedanken erraten zu haben.
„Das Lager dieser Glücksritter wäre heute keine Stadt, wenn nicht der Norden mit seinen endlosen Kriegen gewesen wäre. Woran es den Grafen im Felde neben Männern stets mangelte, war guter Stahl. Also kam einer von ihnen einst auf die Idee, hier an der Schlucht der Tausend Tode einen Handelsposten einzurichten. Einer seiner Marschälle kam mit einem Beutel voll Geld und gründete ein Handelshaus. Er verkaufte Nahrung aus dem Norden an die hungernden Südländer, trieb sie durch Verschuldung in seine Abhängigkeit und machte sich so ihrer habhaft. Um ihre Schulden zu tilgen, schickte er sie immer tiefer in die Schlucht. Noch mehr Erz kam heraus, noch mehr arme Teufel verschwanden in ihr. Der Graf bekam seinen Stahl, schickte Straf- und Kriegsgefangene als Sklaven hier herunter. In dieser Zeit bekam das Lager seinen heutigen Namen. Und seine stattliche Mauer, um Räuberbanden davon abzuhalten, dem Grafen sein teures Erz zu stehlen.“
Sie hatten die Reichenviertel passiert und betraten nun den weiträumigen Marktplatz, der abgesehen von einigen Verschlägen und verlassenen Ständen leer war.
„Ist Elaron heute noch im Besitz dieses nordländischen Grafen?“
Galenis schüttelte den Kopf.
„Nein. Elaron ist eine freie Stadt, regiert von einem Rat ihrer zehn reichsten Bürger. Eine der unangenehmen Seiten des Krieges – für die Herrscher, meine ich – ist die Gefahr der Niederlage. Besagter Graf erlitt eine solche, nach jahrelangem Krieg. Er wurde von seinem Kontrahenten nackt auf der Stadtmauer von Siebenfels gepfählt.“
Parus verzog die Augen zu einem angewiderten Blick. Der Begriff des Krieges war für ihn bisher etwas sehr abstraktes gewesen. Galenis Erzählung ließ ihn ahnen, was der wahre Charakter eines Waffengangs war.
„An seine Stelle wurde ein einflussloser Neffe gesetzt, der den Wert der Investition seines Onkels
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