Mondstahl - Die Schlucht (German Edition)
reden.“
Wenig später saßen sie zu dritt im Speisezimmer des Hauses. Balor tischte kräftig riechenden Tee auf, dessen Dampf im Raum schwebte wie Nebel nach einem Wolkenbruch. Galenis entzündete eine Pfeife. Ihr beißender Geruch verlieh der Runde eine unbehagliche Atmosphäre. Niemand sprach ein Wort.
Parus nahm einen tiefen Schluck, der ihm fast den Hals verbrühte. Brennender Schmerz breitete sich über seinem Gaumen aus und kribbelte boshaft über seine Zunge. Er gab ein unterdrücktes Stöhnen von sich, darauf folgte ein Röcheln. Dann kehrte wieder Stille ein. Nach einer langen Weile ergriff Galenis das Wort.
„Kannst du uns noch ein wenig Proviant mitgeben?“
Er sah zu Balor herüber.
„Ich gebe euch mit, was ich im Haus habe. Unter Protest, versteht sich. Ich bin mit dem Jungen einer Meinung, dass es sich bei deinem Plan um den eines Verrückten handelt.“
Seiner Stimme fehlte jeglicher Ausdruck. Parus saß unruhig auf seinem Stuhl. Dieses bedrückte Schweigen und die lästige Warterei schlugen auf sein Gemüt.
Balor stand auf und machte sich auf den Weg in die Vorratskammer. Galenis ließ seinen Blick zu Parus gleiten und sah ihm in die Augen.
„Wir werden es schon schaffen, Junge. Hab ein bisschen Vertrauen.“
Mehr hatte er nicht zu sagen. Als Balor wieder zurückkam, hatte er die Rucksäcke randvoll gepackt. Darunter befanden sich einige fragwürdige Speisen: Eingelegte Tomatenwurzeln, salzige Eier in Aspik, Schweineaugenkompott und gestanzte Froschschenkel mit Bärlauch garniert.
„Sie haben einen extravaganten Geschmack, oder?“
Parus verzog die Lippen zu einem verständnislosen Ausdruck. Er war von seiner Mutter bodenständige, einfache Lebensmittel gewohnt.
Balor beachtete ihn nicht merklich, sondern präsentierte stolz das einzige halbwegs normale Nahrungsmittel, das er noch besaß – einen eindrucksvollen Klumpen Maisbrot. Er verstaute alles wieder und schnürte das Bündel zu. Dabei sah er seinen alten Studienkameraden verständnislos an.
„Bist du sicher, dass du das tun willst? Mir würde es nicht behagen, wenn du für irgendeine halbgare Schicksalstheorie stirbst. Vor allem nicht auf eine solche Weise.“
Galenis nickte zustimmend.
„Mir auch nicht. Wir werden auf uns achten, darauf gebe ich dir mein Wort. Außerdem lebe ich seit über fünfzig Jahren fast ununterbrochen in der Wildnis. Ich habe gelernt, mich zu orientieren.“
Balor quittierte seine Worte mit einem abschätzigen Wink.
„Im Menschenreich, ja – wo es Straßen, Wälder und Städte gibt. Aber die Schlucht… sie ist anders. Ich habe nur einmal in meinem Leben einen kurzen Blick hineingeworfen. Es war kein schöner Anblick. Ich konnte fühlen, dass Menschen dort nichts zu suchen haben. Sie ist wie… eine Exklave aus dem Dunklen Zeitalter. Dort haben Dinge überlebt, die es heute nicht mehr geben sollte.“
Parus fröstelte, Galenis jedoch zeigte keine merkliche Reaktion.
„Wir werden sehen, wie viel Wahrheit in den Geschichten über das Tal steckt. Die Menschen im Süden neigen dazu, die Wirklichkeit mit den Schauergeschichten ihrer Mütter zu vermengen.“
Balor schüttelte resigniert den Kopf.
„Ich weiß, dass ich dich nicht aufhalten kann. Also bleibt mir nur noch, eure Überlebenswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Der Proviant ist ein Teil meiner Hilfe, den anderen…“
Er drehte sich um, ging ein paar Schritte auf den Kamin zu, wo er eine schwere Kiste öffnete. Dann holte er ein längliches Bündel aus ihr heraus.
„Der andere Teil ist ein Relikt aus Studientagen. Ein Geschenk meines alten Fechtlehrers.“
Er entrollte das Bündel und zum Vorschein kam ein kunstvoll verzierter Säbel, dessen Schutzhülle schon verfallen war, obwohl die Klinge glänzte wie die Oberfläche eines Spiegels. Balor reichte sie seinem Freund über den Tisch. Galenis musterte das Stück beeindruckt.
„Ich danke dir.“
Die Waffe war bestimmt mehrere hundert Jahre alt und musste einen enormen Wert haben.
Die im Raum hängende Aufbruchsstimmung ließ sich nicht länger verheimlichen. Parus rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her, Galenis und Balor redeten nicht mehr viel. Beide waren in persönliche Gedanken vertieft. Dann stand Parus auf und ging nach draußen vor die Tür.
Die Sonne und die frische Luft waren eine Wohltat. Ein kühler Luftzug kribbelte angenehm auf seinem Rücken. Wie
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