Mondstahl - Die Schlucht (German Edition)
murmelte:
„Ihr beide wollt in die Schlucht? Da seid ihr hier genau richtig. Aber ob euer gesunder Menschenverstand richtig funktioniert, da bin ich mir nicht so sicher. Oh Gott, man kann es nicht glauben, dass es noch immer ein paar Heruntergekommene gibt, die da drinnen ihr Glück versuchen.“
Galenis ließ sich von solchem Geschwätz nicht einschüchtern.
„Was wir in der Schlucht wollen ist nicht von Belang. Wir tragen die volle Verantwortung für unser Handeln und sind uns der Gefahr bewusst.“
Der Große klatschte die schmutzigen Hände zusammen.
„Es gibt doch so viele Möglichkeiten, den Tod zu finden. Wieso ausgerechnet in diesem verfluchten Irrgarten voll Schwefel und Getier?“
Der Jüngling schwenkte seine Hellebarde nervös hin und her. Er schien mit seinem Gewissen zu ringen. Wie viele hatte er wohl schon gehen und nicht wiederkehren sehen? Der Dicke trommelte unschlüssig auf seinem Wanst herum. Ihm schien weniger am Schicksal der beiden, als an einer Ablenkung von seinem öden Wachdienst gelegen. Galenis wurde langsam ungeduldig.
„Ich bin der Spielchen überdrüssig. Ihr glaubt, wir werden gefressen, schön und gut. Aber nun lasst uns wenigstens durch, um den Gevatter auf die Probe zu stellen.“
Der Dicke hob mahnend den Zeigefinger.
„Es war nie die Rede davon, dass ihr gefressen werdet. Ich dachte da eigentlich mehr an den Hungertod. Oder Krankheiten. Habt ihr schon einmal von der Schluchtenschläfrigkeit gehört? Wird von einer Insektenart übertragen, die es nur dort drinnen gibt. Ich habe schon mindestens ein dutzend Sammler aufgelesen, die ohnmächtig hinter dem Tor gelegen haben. Das sind die, die es geschafft haben. Die anderen…“
Sein Lächeln entblößte eine Reihe gelber Zähne.
„Aber sei es drum. Mein Gewissen ist rein, ich habe euch gewarnt.“
Er gab seinem jungen Kameraden einen Wink. Dieser drehte sich um und hob den schweren Balken aus der Verankerung. Die andere Wache marschierte trotzig in das Wachhäuschen und betätigte den Mechanismus, der das Tor entriegelte. Die schweren, mit rostigem Eisen beschlagenen Pforten öffneten sich und gaben den Blick auf eine wahrlich bizarre Welt frei. Wo vor der Stadt noch üppige Wälder und saftige Wiesen zu sehen waren, erstreckte sich hier eine Art Wüstenlandschaft, mit steilen Felshängen zu jeder Seite. Ein warmer, übelriechender Wind blies ihnen entgegen.
Parus verzog gequält das Gesicht. Auch Galenis hatte gehofft, dass die Legenden ein wenig mehr Märchen enthalten würden. Sie waren authentische Reiseberichte. Der Anblick war wirklich trostlos.
Als die beiden das Tor durchschritten hatten, schrie ihnen der dicke Wachmann hinterher:
„Wenn ihr etwas findet, und sei es nur ein kleiner Klumpen, dann seid nicht dumm und kommt schnell zurück. Wenn es erst Nacht ist, werden wir euch das Tor nicht mehr öffnen, egal wie sehr ihr schreit und klagt!“
Er und sein Kamerad schlossen das Tor so schnell sie nur konnten. Der Jüngere machte sich Vorwürfe, der Feiste schlug sich abermals gegen die Stirn. Auch ein paar umhersitzende Bettler hatten das Gespräch aufgeschnappt und unterhielten sich angeregt über die beiden armen Teufel.
Sie hatten schon mehrere hundert Meter hinter sich gebracht, das Tor nach Elaron war hinter einer Abbiegung verschwunden.
Der modrige Geruch schien mit jedem Schritt stärker zu werden. Es war der schwere Dunst des Schwefels, der wie eine riesige Glocke über der Schlucht hing. Parus rümpfte die Nase.
Galenis sah sich vorsichtig um. Es waren noch keine Gefahren auszumachen. Dennoch blieb er wachsam. Es lag ein tiefes Misstrauen in den Augen des Alten. Diese Veränderung in seinen Zügen gefiel Parus kein bisschen. Doch es gab noch etwas anderes, das Parus beschäftigte. Unbewusst malte er sich aus, was alles auf sie lauern konnte. Er dachte an menschenfressende Kreaturen, glühende Lavaströme, rachsüchtige Geister und was nagender Hunger aus ihnen machen konnte. Doch bisher waren die einzigen wahrnehmbaren Bedrohungen der muffige Geruch und die herum huschenden Ratten. Riesige, hässliche Biester! Parus sah einige von ihnen zwischen Felsritzen herumlaufen.
„Ich kann nicht glauben, dass du mich wirklich in diese Schlucht geführt hast. Hast du die Ratten gesehen? Ich will mir nicht vorstellen, an was sie sich so fett gefressen haben.“
Galenis hob die Brauen. Er lächelte dabei, aber
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