Mondstahl - Die Schlucht (German Edition)
Übel. Auch die Stiefel des Zauberers waren in einem ähnlich desolaten Zustand. Die Sohlen lösten sich langsam vom Rest und er verfluchte sich, dass er keinen Zauber kannte, der ihm die Stiefel reparieren konnte. Doch all das Murren half nichts, denn sie hatten keine andere Wahl, als weiterzugehen.
Ein weiterer Tag neigte sich dem Ende zu. Die beiden waren auf immer mehr Kreuzungen gestoßen. Der Wachmann hatte nicht übertrieben, als er sagte, die Schlucht sei ein Labyrinth. Hier entpuppte sich ihr wahrer Schrecken. Schleichend, hinterlistig, geradezu teuflisch unauffällig - und doch überaus gefährlich. Deshalb waren so viele Sammler und Bergleute nicht zurückgekehrt. Sie hatten sich verlaufen und waren verdurstet oder verhungert. Parus und Galenis stießen auf viele ihrer Knochen. Einige waren alt und verwittert, andere zeigten noch die letzten Sekunden im Leben der Toten. Auf dem Boden kriechend, die Hände um Steine gekrallt, oder zusammengerollt in einer Ecke, in ihr Schicksal ergeben.
Am Tage darauf, es war schon wieder fast Mittag, legte sich Parus auf den steinigen Boden - er hatte keine Kraft mehr. Galenis setzte sich zu ihm. Er konnte es seinem jungen Freund nicht verübeln, auch er war sehr erschöpft. Parus sah mit müden Augen zu ihm hoch.
„Galenis, wie lange müssen wir noch durch diese Einöde ziehen?“
Der Zauberkundige sah sich schweigend um. Er wusste es nicht, doch es war nicht angeraten, seinem Begleiter das mitzuteilen.
„Es kann nicht mehr weit sein, denn wir sind nicht mehr im erkundeten Bereich der Schlucht. Die Toten werden seltener und ich habe schon lange keine Überreste von Stollen oder Schürfgruben gesehen. Wir nähern uns dem Kern.“
Wenn wenigstens der Junge Hoffnung hatte, machte es die Lage ein gutes Stück besser. In Wirklichkeit war ihm bereits klar geworden, dass Balor womöglich Recht gehabt hatte. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Seine Erfahrungen in der Wildnis des Menschenreichs brachten ihn hier nicht weiter. Sie waren drauf und dran, sich in der Schlucht zu verirren – wenn es nicht schon längst geschehen war.
„Galenis, sei ehrlich zu mir. Du weißt nicht, wo wir sind, oder? Weißt du, in welche Richtung wir gehen? In der Nacht kann man die Sterne nicht sehen.“
Parus sah seinen Begleiter ernst an.
„Es war mein Entschluss, in diese Schlucht zu ziehen, Bursche. Aber du bist mir gefolgt. Wenn wir hier sterben, gestehe ich dir das Recht zu, mich in der nächsten Welt dafür zu tadeln. Jetzt aber, da wir uns beide noch bester Gesundheit erfreuen, verbitte ich mir das.“
Parus traute seinen Ohren kaum. Er war drauf und dran, seiner Frustration freien Lauf zu lassen, entschied sich jedoch dagegen. Er schloss die Augen und wählte seine nächsten Worte behutsam.
„Ich bin um viele Jahre jünger als du und besitze höchstens einen Bruchteil deines Wissens. Aber meine Eltern haben mich gelehrt, was es heißt, schwere Zeiten durchzustehen. Und ich vertraue dir. Wenn du sagst, dass du uns ans Ziel führst, glaube ich dir.“
Parus Worte wirkten wie ein kräftiger Schlag auf die Nase. Einen Moment lang fühlte sich Galenis wie ein Lügner, ein Verräter. Er verdrängte diese Empfindungen jedoch schnell. Er musste an die Sache denken.
„Mach dir keinen Kopf darüber, Bursche. Der Silberstern hat mir die Lage ihrer Hütte genau beschrieben.“
Schon wieder eine Lüge, doch Parus akzeptierte sie. Er wollte sich gerade erheben, da zündete sich Galenis eine Pfeife an.
„Lass uns rasten, Bursche, und unsere verbrauchten Beine schonen.“
Dagegen hatte Parus nichts einzuwenden, im Gegenteil. Er ließ sich wieder auf den Boden fallen. Der Zauberer ging neben ihm in die Hocke.
Parus war todmüde, außerdem biss ihm der Rauch in der durch die Schwefelgase gereizten Nase. Er drehte sich zur Seite, gab noch ein paar Grunzlaute von sich und gähnte ausgiebig. Galenis lächelte friedlich vor sich hin. Vielleicht sollte er auch mal wieder schlafen, kam es ihm in den Sinn. Erst stützte er sich rückwärts auf die Hände, dann versuchte er es seitlich liegend. Als der Erfolg ausblieb, zog er seinen Säbel und versuchte den vertrockneten Boden aufzubrechen - vergeblich. Der Grund wurde immer karger und härter. Er steckte die Waffe weg, überlegte kurz.
Dann richtete er seine Hand auf sein Gesicht. Ein paar kurze Worte waren gemurmelt, da fiel der Zauberer rückwärts um. Was ein
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