Mondstahl - Die Schlucht (German Edition)
Blick zu beiden Seiten.
„Für mich sieht das aus wie die Futterstelle eines wilden Tieres. Wahrscheinlich Aasfresser…“
Parus keuchte.
„Welches Tier legt Gebeingruben an? Und das sind keine Tierknochen! Das waren mal Menschen.“
Galenis nickte mit ernstem Blick, ließ jedoch den Säbel in den Gürtel zurückgleiten.
„Mag sein. Aber wir wissen nicht, wie alt die Knochen sind. Und bedenke, wie viele Menschen in dieser Schlucht verschollen sind. Weshalb sollten die Aasfresser ihr Fleisch verschmähen?“
Er entfernte sich von Parus und seinem grausigen Fund, ging hinüber zu ihrem Schlafplatz und schulterte einen der Rücksäcke.
„So oder so wirst du dich nun nicht mehr mit deiner Entdeckung herumärgern müssen. Wir gehen weiter. Wenn der Besitzer dieser Futterstelle noch hier in der Gegend ist, sollten wir möglichst weit weg sein.“
Parus nickte entschlossen, nahm den zweiten Rucksack und folgte Galenis.
„Sieh es als eine Warnung der Schlucht an uns. Wir sollten unser Nachtlager das nächste Mal genauer inspizieren.“
So zogen sie weiter, tiefer in die Schlucht hinein. Noch am selben Tag legten sie einen weiten Weg zurück. Als sich die Dämmerung wieder bemerkbar machte, waren beide sichtlich erschöpft.
Sie wanderten nicht mehr, sie schleppten sich nur noch voran. Der kahle, felsige Boden, die schlechte Luft und die ständig aus irgendwelchen Löchern springende Nagetiere und Insekten schlugen ihnen auf das Gemüt. Schon bald waren sich beide einig, öfters eine kleine Rast einzulegen. Von diesem Moment an gab es etliche längere Pausen. Vielleicht zehn, vielleicht mehr. Auf jeden Fall kamen die beiden nur noch schwer voran und der Marsch wurde immer unfruchtbarer. Die Nacht war mittlerweile fortgeschritten und so legten sich die beiden endlich schlafen. Doch obwohl er völlig erschöpft war, fand Parus keinen Schlaf.
Der Boden war hart, die Luft war trocken und kalt. Tausende von winzigen Tieren huschten über die Felsen und verschwanden in den unzähligen Felsspalten. Ein paar dürre Spinnenbeine krochen über Parus Gesicht, so manche Fliege ließ sich auf ihm nieder und vor allem die Mücken waren von ihm und seinem Blut angetan. Als er sich mit Müh und Not an sein unfreundliches Schlafquartier gewöhnt hatte, kamen ihm tausende von Gedanken in den Kopf. Er dachte daran, was seine Mutter in diesem Moment wohl tat, an die Nacht, in der er seinen Vater verloren hatte. Aber vor allem dachte er an seine Entdeckung diesen Morgen.
Er öffnete die Augen, sah zu Galenis herüber. Der Zauberer lag zwar am Boden – von Gestein bedeckt - und hatte die Augen geschlossen, allerdings rauchte er fast pausenlos seine Pfeife. Er schlief nicht, er ruhte. Anscheinend war auch Galenis diese Nacht vorsichtiger. Es wunderte Parus nicht sonderlich.
Nun zog er sich seine Weste aus, füllte sie mit verdorrtem Gestrüpp, das überall über den kargen Boden verstreut lag und legte den Kopf darauf. Stundenlang lag er da, die Hände auf der Brust verschränkt. Die Beine hatte er über den Rucksack gelegt. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich einzuschlafen und seine missliche Lage zu vergessen.
Galenis hingegen wollte anscheinend gar nicht schlafen. Als er sich erneut mit geschlossenen Augen eine Pfeife stopfte, fasste Parus den Entschluss, dass es besser war, wach zu liegen, als ein leckerer Happen für irgendeinen nachtaktiven Jäger zu werden. Auch der Zauberer öffnete gelegentlich die Augen und sah zu seinem jungen Begleiter herüber.
Parus hatte sich fast die ganze Nacht hindurch geschunden, als er schließlich Ruhe fand. Doch schon bald darauf graute der Morgen und sie erhoben sich, um ihre Reise fortzusetzen und sich einen weiteren Tag lang den Strapazen des Weges anzunehmen.
Galenis und Parus wanderten mittlerweile seit vier Tagen durch die trostlose Schlucht. Ihre Vorräte versiegten schneller, als sie gedacht hatten. Froschaugen machten so satt, wie sie schmeckten, und auch das Wasser ging zur Neige. Parus Füße schmerzten fürchterlich, seine Schuhe waren übersät mit Löchern, obwohl sie erst seit kurzer Zeit unterwegs waren. Der Grund dafür waren die vielen spitzen Feuersteine, die seit einigen Meilen vermehrt herumlagen. Parus und Galenis hatten sich ein paar besonders schöne Exemplare eingesteckt. Zuerst hatten sie gedacht, die Steine wären ein Glücksfall. Nun verfluchten sie die scharfkantigen
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