Mondstahl - Die Schlucht (German Edition)
befinden“, ermahnte Samoht seine Begleiter. Galenis sprach ihn von der Seite an:
„Die Weise muss irgendwo in dieser Senke leben. Sie braucht eine stetige Versorgung mit Wasser, wenn sie einer Spezies angehört, die ich kenne.“
Der Ironat zuckte mit den Schultern und ging stumm voran.
Nach weniger als einer Stunde des Marsches bewahrheitete sich Samohts Voraussage. Der gewohnte Geruch von Schwefel paarte sich nun mit einem organisch schmeckenden Nebel, der immer dichter wurde.
„Dieser Nebel brennt in den Augen. Ich kann kaum meine Hände sehen“, keuchte Parus, während er sich mühselig vorankämpfte. Die Schwaden hinterließen einen salzigen Geschmack in seinem Mund und einen sanften Wasserfilm auf Gesicht und Armen. Häufig konnte sich Parus nur mit Mühe und Not auf den Füßen halten, weil er über herumliegende Steine stolperte. Desweiteren krachte er regelmäßig gegen die glitschigen Felswände, die unvermittelt vor ihm auftauchten. Seine Füße schmerzten furchtbar, weil sich seine zerrissenen Lederschuhe mit Wasser vollsogen. Er hatte das Gefühl, dass sich seine Füße in ihnen auflösten. Er schrie laut auf, als er erneut gegen eine Felswand gelaufen war.
„Pass auf deinen Kopf auf, Junge“, rief ihm Galenis zu. Parus murmelte grimmig vor sich hin, während er sich die schmerzende Schulter rieb.
Nach etwa drei Stunden beschwerlichen Marsches begann der Zauberkundige plötzlich, seltsame Worte aneinander zu reihen. Er bewegte die Lippen, doch außer einem leisen Wispern war nichts zu hören. Parus kniff die geröteten Augen zusammen, um zu erkennen, was sein Begleiter tat.
Helles, bläuliches Licht flackerte auf und wurde fast augenblicklich vom schweren Dunst der Schlucht verschluckt. Dann erhellte ein gleißender Blitz für ein paar Sekunden die Felsklüfte. Parus war sich sicher, ein leises Klingeln gehört zu haben.
„Was hast du getan, Galenis?“
Durch den Schleier aus Nebel konnte er seinen Begleiter nur schemenhaft erkennen. Er sah etwas Kleines bläulich auf der Handfläche des Zauberkundigen funkeln.
„Ich habe uns einen kleinen Helfer erschaffen.“
Samoht blieb stehen und wandte sich den beiden zu, obwohl auch er kaum etwas erkennen konnte. Da sah Parus den Helfer , wie er sich von Galenis Hand torkelnd in die Luft erhob. Er war klein, vielleicht daumengroß, hatte eine bläuliche Haut und – wenn Parus sich nicht täuschte – kleine Flügel am Rücken. Ein deutlich sichtbarer Lichtkegel umgab ihn. Das kleine Geschöpf war eine Fee.
„Ist das eine Fee? Wo kommt die denn her?“, fragte Parus verwundert, als er näher an Galenis herangetreten war. Er hatte in seiner Kindheit viele Geschichten über diese flinken Kreaturen gehört, wenn er abends mit Norath und Mathilde vor dem Kamin saß und sie sich Geschichten erzählt hatten.
„Ich habe sie mit Hilfe meiner Magie erschaffen, damit sie uns den Weg ein wenig ausleuchten kann. In diesem Nebel würde jede Fackel sofort erlöschen. Ich nenne sie Ewin.“
Parus bemerkte, wie der Schein größer und heller wurde. Er versuchte danach zu greifen, da spürte er einen stechenden Schmerz in seiner Hand - erschrocken zog er sie zurück.
„Das Vieh hat mich gebissen!“
Ein kleiner Blutfluss rann an seinem Zeigefinger herab.
„Kröte“, piepste eine Stimme im Nebel.
„Es kann sprechen?“
Galenis lachte.
„Natürlich kann sie sprechen. Feen sind interessante kleine Geschöpfe.“
Parus war nicht begeistert. Die kleine Bisswunde an seiner Hand leuchtete so bläulich wie die Fee selbst.
„Das heißt, dieses Ding, das du gerade erschaffen hast, ist ein Lebewesen? Du kannst Leben erschaffen? Ich wusste nicht, dass du über solche Macht verfügst!“
Parus war sichtlich beeindruckt.
„Es gibt nur eine Möglichkeit für Geschöpfe wie uns beide, Leben in die Welt zu setzten – und zwar mit einer Frau. Ich kann meine Magie nicht dazu verwenden, Leben zu erschaffen, aber ich kann einen Teil meiner eigenen Lebenszeit opfern und sie auf ein magisches Gefäß übertragen, um es zu beleben.“
Er nickte auf den fliegenden, bläulichen Schimmer vor sich.
„Und genau das ist eben geschehen.“
Plötzlich meldete sich die Fee mit klarer, heller Stimme zu Wort:
„Ist es in dieser nebligen Welt üblich, dass man nackt herumläuft, oder benötige ich Kleider?“
Galenis lachte auf.
„Tut mir
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