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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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Leute auf einem Schiff, die haben mich versteckt. Aber ich musste dich sehen. Hier sucht mich keiner. Und ich dachte, irgendwann wirst du aus dem Haus kommen. Aber ich habe nur wenig Zeit. Ich muss weg!«
    »Weg? Aber warum denn?«
    »Ich muss Malta verlassen. Die Polizei sucht mich!«
    »Die Polizei?«, stammelte ich.
    Es war ein Albtraum. Dies konnte nur ein Albtraum sein, aus dem ich aufwachen musste. Giovanni versuchte zu sprechen, brachte es aber nicht fertig, weil er mit den Zähnen klapperte. Ich erschrak über den schnellen, bebenden Atem, den flackernden Blick. Seine Augen schienen ständig in Bewegung zu sein. Zum ersten Mal roch er schlecht, nach ungewaschener Haut und schmutziger Wäsche. Meine Fragen überschlugen sich fast.

    »Aber warum denn, Giovanni? Was ist passiert? Und wohin willst du?«
    »Ich… ich weiß es nicht. Ich habe ja nur meinen Schülerausweis. Keinen Pass! Aber meine Freunde haben versprochen, mir zu helfen.«
    »Deine Freunde?«, murmelte ich verständnislos.
    Giovannis Freunde, das waren wir. Andere hatte er nicht.
    Er bemerkte mein Erstaunen und schluckte, als wäre ihm jedes Wort eine Qual.
    »Eigentlich… sind es Freunde meiner Brüder… aber das macht nichts. Ich komme schon durch, Alessa …«
    Er stotterte wie ein Fieberkranker. Ich streichelte sein Gesicht.
    »Giovanni, sei mal ganz ruhig. Warum sucht dich die Polizei? Nun rede doch endlich!«
    »Ich … ich habe Don Antonino zusammengeschlagen. Er fiel mit dem Kopf gegen die Wand, ich dachte, er sei tot, weil er so merkwürdig die Augen verdrehte. Aber… er atmete noch. Ich habe ihn liegen gelassen und bin weggerannt. Ich war ja so wütend, Alessa, du kannst es dir nicht vorstellen.«
    Namenloser Schrecken fuhr mir in die Glieder.
    »Aber warum, Giovanni? Warum nur?«
    Er presste die Kiefer zusammen, schüttelte wirr den Kopf.
    Ich packte seinen Arm, kniff ihn in die Haut, um ihn wieder zu Verstand zu bringen.
    »Was hat er getan, Giovanni?«
    Er riss mich an sich, hielt sich an mir fest wie ein Ertrinkender. Er zitterte am ganzen Körper. Und weil er mich so fest umklammerte, übertrug sich sein Zittern auch auf mich.
    »Du weißt doch«, stieß er hervor, »dass er oft kommt und an meinen Bett den Rosenkranz betet…«
    »Ja, ja, aber das ist doch kein Grund … Ich meine, hat er mit dir geschimpft?«

    »Nein … nicht geschimpft. Überhaupt nicht! Er hat gesagt, dass … dass er mich liebt.«
    »Und da hast du ihn geschlagen? Aber Giovanni…«
    Ich war außerstande weiterzusprechen, fühlte ich doch eine quälende Beklemmung in meiner Brust, die bis ins Innere meiner Seele drang. Einen Atemzug lang blickte er mich stumm an. Und in dieser Sekunde sah ich das flüchtige Bild des Zauberglanzes, der einst auf seinem Gesicht geschimmert hatte. Dann verkrampfte sich sein Gesicht. Heftiges, unbeherrschtes Schluchzen stieg in ihm auf, und die Tränen begannen zu fließen.
    »Es war ganz anders, Alessa, ganz anders! Keiner wird mir glauben! Ich… ich kann es ja selbst nicht glauben.«
    Ein einziger Augenblick nur hatte gereicht, um Giovannis Leben für immer zu verändern. Was war in dieser Nacht vorgefallen? Der Lärm der Vögel drang durch die Stille um uns herum. Sie lebten ihr Alltagsleben weiter, bevor der Winter kam. Sie zwitscherten auf den Bäumen, während Giovanni schwer unter dem unermesslichen Schmerz erbebte, der seinen ganzen Körper schüttelte. Mit verschmierter Nase und staubigem Gesicht beweinte Giovanni den Glauben an eine Gerechtigkeit, den Verlust des Vertrauens. Und ich erinnerte mich an gewisse ungesagte Dinge, von denen wir alle lückenhaft wussten, dass sie existierten. Es waren ganz schlimme, verbotene Dinge, die nicht wir, sondern »andere« gehört hatten. Meine Angst war ganz frisch, wie eine Wunde; sie hatte sich noch nicht einnisten können. Die Worte kamen mir nur mühsam über die Lippen.
    »Hat er dich… hat er dich begrapscht?«
    Er drückte sein Gesicht an meines, ich spürte den salzigen Geschmack seiner Tränen. Seine Nase lief, er fuhr mit dem Ellbogen darüber.
    »Nein… ja … beinahe war ich eingeschlafen, und plötzlich saß er neben mir auf dem Bett und streichelte mich. Ich rückte
von ihm ab, drückte mich gegen die Wand. Ich hatte ganz entsetzliche Angst; ich weiß nicht, warum. Aber Don Antonino lächelte nur. Ich hatte dieses Lächeln noch nie bei ihm gesehen.
    ›Sei ruhig‹, sagte er zu mir. ›Darf ich eine Weile bei dir bleiben? Komm, wir sehen uns Bilder an.‹ Er

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