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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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was bewirkte, dass er noch mehr in sich zusammensank.
    »Ich kann nicht mehr zur Schule gehen, Alessa. Ich weiß nicht, was ich tun werde, aber ich muss weg …«
    Und in diesem Versteck unter der Treppe, unter staubigen Spinnweben, mit dem Geruch aus den Mülleimern in der Nase, spürte ich, wie ich seltsam entschlossen wurde, finster und voller Rache. Nein, die Polizei durfte Giovanni nicht finden. An seiner Stelle würde ich mich auch verstecken. Aber es lag in meiner Natur, immer wieder einen Ausweg zu suchen. Ein Wolf in der Falle wird kämpfen, niemals aufgeben, sich selbst die Pfote amputieren, um die Freiheit wiederzuerlangen.
    »Giovanni, jetzt pass auf. Vielleicht… vielleicht ist alles nicht so schlimm, wie du denkst. Ich… werde mit Peter reden.«
    Er wich erschrocken zurück.

    »Um Gottes willen, nein, nicht mit Peter! Der hört auf seine Eltern und wird mir die Schuld geben.«
    Ich ließ nicht locker.
    »Doch, Giovanni! Peter muss die Wahrheit wissen, bevor ihm die Eltern etwas anderes erzählen. Außerdem … es kann ja sein, dass Don Antonino die ganze Sache für sich behält. Vielleicht tut ihm die ganze Sache ja entsetzlich leid! Er ist doch dein Onkel, Giovanni! Und er ist Priester!«
    »Aber ich kann nicht mehr bei ihm wohnen«, sagte er unter Weinen. »Das geht einfach nicht…«
    »Du könntest bei uns wohnen. Wir haben ein Gästezimmer. Irgendwie werde ich mit den Eltern schon zurechtkommen…«
    Er wurde allmählich ruhiger, klammerte sich an einen Strohhalm, obwohl jede Vernunft dagegensprach.
    »Vielleicht hast du recht…«
    Ich würde jetzt die Sache für ihn in die Hand nehmen. Ich würde mir eine Strategie ausdenken. Würde kämpfen. Vielleicht unterliegen. Aber nie im Leben würde ich Giovanni im Stich lassen.
    »Hör mal, vielleicht ist es gut, dass du dich für ein paar Tage versteckst. Die Schule fängt erst am Montag an. Bis dahin … bis dahin finden wir eine Lösung…«
    Er nickte wortlos, wischte sich mit dem Handrücken über die verschmierte Nase.
    »Du musst jetzt gehen«, flüsterte ich. »Komm wieder, wenn es dunkel ist. Ich lege dir einen Brief unter diesen Blumentopf, ja?«
    Er nickte abermals, schon etwas ruhiger.
    »Gut.«
    »Hast du Geld?«
    »Nein, aber das macht nichts …«
    »Hier, das sollte genügen!« Ich drückte ihm das Portemonnaie in die Hand. »Nimm, was du brauchst.«

    »Alessa, ich kann das nicht annehmen…«
    »Doch, du gibst es mir später zurück. Ich … ich kann nicht länger bleiben, sonst fragen sich meine Eltern, wo ich stecke.«
    Er machte ein bejahendes Zeichen, schob das Portemonnaie in die Hosentasche. Wir umarmten uns, innig und verzweifelt. Giovanni war völlig verschwitzt, so nass war seine Haut, dass sie an meiner klebte. Ich stieß ihn behutsam von mir, kroch unter der Treppe hervor und kam wieder zu Verstand, als ich oben vor dem Eingang stand, die Tür aufstieß und Mutters Stimme hörte:
    »Alessa, wo um Himmels willen kommst du her?«
    Vater saß beim Frühstück, verschlang sein Rührei mit ein paar Gurkenscheiben und Tomaten und machte ein mürrisches Gesicht.
    »Zwanzig Minuten, Alessa! Glaubst du, dass ich so lange warten kann?«
    Ich starrte auf meine leeren Hände, stammelte die erste dumme Entschuldigung, die mir in den Sinn kam.
    »Ich… ich habe das Portemonnaie verloren!«
    Mutter schrie auf.
    »Mein Portemonnaie? Das darf doch nicht wahr sein!«
    Vater runzelte die Stirn.
    »Steckte viel Geld darin?«
    »Nein, aber mein Ausweis! Und der Führerschein!« Mutter wurde böse. »Wo hast du das Portemonnaie verloren? Und überhaupt, wie siehst du aus? Wo bist du gewesen?«
    Unter der Treppe hatte sich viel Staub angesammelt. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht, zupfte nervös an meinem verdreckten T-Shirt.
    »Ich… ich habe überall gesucht. Deswegen…«
    »Wahrscheinlich hat man es dir geklaut«, meinte Vater ungehalten. »Malta ist auch nicht mehr das heile Stück Erde, das es einst war.« Zu Mutter sagte er: »Du solltest sofort Anzeige gegen unbekannt erstatten.«

    Vater verließ das Haus, eilig und in schlechter Laune. Ich ging mit meiner Mutter zur Polizei, spielte die Ahnungslose, fühlte mich noch miserabler als zuvor. Hoffentlich war Giovanni klug genug, das Portemonnaie gut zu verstecken; sonst wurde er womöglich noch des Diebstahls angeklagt. Wieder daheim – Mutter machte noch eine kurze Besorgung – rief ich Peter an. Nur das Dienstmädchen ging ans Telefon. Die Herrschaften seien nicht da. Ob ich am

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