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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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von ihm wollte. Der Mann hat ja ’ne Meise!«
    Peter sah mich aus klaren, ruhigen Augen an.
    »Ja, Selbstkasteiung.«
    »Was?«, murmelte ich entgeistert.
    Er nickte mir zu.
    »So nennt man das, was der Onkel macht.«
    Woher wollte Peter das wissen? Er war nicht einer, der dies oder jenes nur so sagte. Er machte keinen wirklich erschrockenen Eindruck, sondern sah mir ganz unbedenklich ins Gesicht, als ob ihn die Sache doch merkwürdig wenig berührte.
    »Alessa, bist du sicher, dass Giovanni nicht gelogen hat?«
    Ich schüttelte heftig den Kopf.
    »Giovanni lügt nie, das weißt du doch!«
    »Ich weiß«, sagte er.

    Er beobachtete mich genau. Sogar jetzt noch, dachte ich, hat er schöne Augen. Alles spielt sich darin ab, und er ist nicht hysterisch geworden, er ist sogar viel ruhiger als ich.
    »Dass sein Onkel sich auspeitschte, hatte er mir schon früher gesagt«, fing ich wieder an. »Giovanni hat ihn dabei überrascht. Der Onkel sagte, dass er Gott damit eine Freude machen wollte. Glaubst du, das ist normal?«
    »Mir scheint«, sagte er, jedes Wort überlegend, »der Onkel brauchte etwas, was er nicht bekommen hat. Und wenn er so in Wut war, dass er es nicht mehr aushielt …«
    »Und die Hefte, die lagen am Boden, hat Giovanni gesagt. Er konnte nur nicht sehen, welche Hefte das waren.«
    »Ich verstehe. Scheußlich!«
    Ich fragte verwundert:
    »Ach, das verstehst du auch?«
    Mir hatte die Sache einen Stoß gegeben, von dem ich mich noch nicht erholt hatte. Peters Blick war merkwürdig scharf und doch so, als sähe er mich gar nicht. Die Sache ließ ihn nicht kalt, im Gegenteil, er fand sie ekelhaft. Aber er blieb dabei ganz sachlich, ich wusste nicht recht, weshalb. Früher war er nie so unbekümmert gewesen, verstand sich merkwürdig schlecht aufs Leben. Jetzt war er sehr gefasst.
    »Mein Vater hat eine große Bibliothek«, erklärte er. »Und ganz oben im Regal stehen Bücher mit Fotos und Abbildungen. Vater würde nie dulden, dass ich meine Nase da reinstecke, aber er weiß überhaupt nicht mehr, dass er die Bücher noch hat. Früher, da konnte mir jeder was vormachen. Ich hatte ja keine Ahnung von diesen Dingen …«
    Er stockte. Ich starrte ihn an. Er verzog krampfhaft den Mund.
    »Fesselung, Schläge, sexuelle Spiele. Aber ich möchte wirklich nicht, dass du denkst …«
    Peter hatte Zeit gehabt, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Das machte ihn fähig, mit den Tatsachen fertig
zuwerden. Besser als ich jedenfalls, die von solchen Dingen nie etwas gehört hatte.
    »Ich mache dir ja keinen Vorwurf, Peter!«
    »Nicht, dass du dir einbildest …«
    »Nein, nein, überhaupt nicht!«
    Er erklärte mir einiges. Also doch Platon, dachte ich, angewidert und fasziniert. Don Antonino hatte Giovanni in seine Macht bringen wollen, hatte nur dieses eine Ziel vor Augen gehabt. Er hatte Giovanni dem Vater abgekauft, wie er in früheren Zeiten einen Lustknaben erstanden hätte, dessen Vertrauen man langsam und beharrlich zu gewinnen wusste, um ihn dann ganz zur Verfügung zu haben. Das war in der Antike so üblich, sagte Peter, und in manchen Ländern auch heute noch. Und als Emilio seine Frau zu Tode prügelte und vor Gericht kam, hatte Don Antonino seine Lügen gedeckt. Möglich war, dass Emilio ihn sogar erpresst hatte. In seiner stolzen, redlichen Art war Giovanni solcher Durchtriebenheit nicht gewachsen.
    »Jetzt kannst du begreifen, warum er zugeschlagen hat«, sagte Peter in vernünftigem Tonfall. »Hätte ich auch getan.«
    Mir kam die Galle hoch. Wäre es nach meinem Willen gegangen, wäre der ekelhafte Typ auf der Stelle tot, zerquetscht, weg und nie da gewesen! Und gleichzeitig überfiel mich beklemmender Schmerz. Mir war, als hätte das Schicksal Giovanni gepackt, in grauenhafter Schlinge gefangen. Es war zu furchtbar, um weiter darüber nachzudenken. Gab es kein Entrinnen, keinen Ausweg? Eine eigentümliche Übelkeit und Spannung hielten mich in Atem. Es war, als ob die Gedanken in meinem Kopf hin und her jagten.
    »Wir müssen zur Polizei, mit dem Kommissar darüber reden! Er wird einsehen, dass Giovanni …«
    Jäh verschloss sich Peters Gesicht.
    »Großer Gott, Alessa, bist du wahnsinnig?«
    »Er weiß ja nicht die Wahrheit!« Ich schrie es fast.

    »Und wenn er sie nicht wissen will?«
    Mir stockte der Atem. Peters Worte trafen mich wie ein Stich, denn Giovanni hatte das Gleiche gesagt.
    »Es ist zum Kotzen«, sagte ich erschöpft.
    Er nickte, sprach weiter in seiner raschen, kaum hörbaren

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