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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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sie genau wie die Ziege Micalef. Mit norddeutscher Direktheit obendrein. Auf mich hatten Worte immer eine starke Wirkung. Ich hielt mir die Ohren zu.
    »Mir scheißegal!«, schrie ich. »Und damit du es weißt, ich glaube kein Wort von der ganzen Geschichte!«
    »Alessa! Der arme Don Antonino liegt verletzt im Krankenhaus!«
    »Soll er von mir aus Blut pinkeln!«

    Mein heftiger Ausbruch traf sie unvermittelt. Ihre Augen wurden groß und rund.
    »Alessa! Bist du von Sinnen?«
    »Ich weiß Bescheid!«, schrie ich. »Du nicht…«
    Sie starrte mich an.
    »Was sagst du da? Wieso weißt du Bescheid?«
    In meinem Gehirn blinkte ein Rotlicht. Ich verstummte, krebste zurück, von Kopf bis Fuß die störrische Pubertierende.
    »Einfach so«, brummte ich achselzuckend.
    »Dann sei gefälligst still.« Mutter beherrschte sich mit gewaltiger Anstrengung. »Du hast uns in eine peinliche Lage gebracht. Der Kommissar weiß schon, wovon er redet. Und was Giovanni betrifft, da warst du immer viel zu vertrauensselig! Dass Don Antonino ihn nicht anzeigt, ist überaus großzügig. Ich muss den Mann bewundern.«
    Ich ging in mein Zimmer, warf hinter mir die Tür ins Schloss, so laut, dass mein Spiegel klirrte. Die Gesellschaft hatte ihre Prinzipien. Wenn es darauf ankam, hielten die »besseren Leute« zusammen. Und jetzt waren alle – ja, auch meine Mutter – erleichtert, weil Giovanni keine Chance mehr hatte, Klassenbester zu sein. Und der geile Fanatiker mit seiner Peitsche wurde von allen nur bedauert. Wo war hier die Gerechtigkeit?
    Ich überlegte eine Weile, dann putzte ich mir die Nase und ging ins Wohnzimmer zurück. Ich setzte mich in Vaters Sessel und griff zum Telefon, als Mutter den Kopf aus der Küchentür steckte.
    »Alessa, du hast den Tisch nicht abgeräumt.«
    »Gleich«, murmelte ich und tippte die Nummer ein.
    »Hör auf, die Leute verrückt zu machen!«, schimpfte Mutter. »Wen rufst du jetzt schon wieder an?«
    »Si, pronto«, antwortete die Ziege Micalef, die am liebsten italienisch sprach, am anderen Ende der Leitung. Ich ignorierte Mutters wütendes Anstarren, entschuldigte mich für die Störung und fragte nach Peter. Die Ziege Micalef antwortete
zuckersüß. Sie hatte mich schon immer gemocht, sah mich schon als ausgesuchte Schwiegertochter, obwohl meine Mutter Ausländerin war und keine echte Katholische. Aber mein Vater war aus gutem Hause, si, si, und als zukünftige Arztgattin mochte ich eine gute Figur abgeben. Denn bei den Micalefs stand von vornherein fest, dass Peter die Praxis seines Vaters weiterführen würde.
    »Peter?« Die Ziege Micalef lachte glockenhell. »Er ist mit seinem Vater im Tennisclub. Sie spielen schon sehr früh, weil die Tage kürzer werden.«
    »Seitdem er wieder da ist, habe ich ihn nicht gesehen«, sagte ich vorsichtig. »Ich würde gerne mit ihm sprechen.«
    »Über Giovanni, nehme ich an? Eine entsetzliche Geschichte, nicht wahr?«
    Ich schluckte leer.
    »Ja, wirklich schlimm.«
    »Mein Gott, dieser Horror!« Peters Mutter verbarg gekonnt ihre heimliche Schadenfreude. »Der Kommissar – ein sehr netter Mann übrigens – war heute Morgen bei uns. Warum fährst du nicht zum Tennisplatz? Ihr könntet im Clubhaus etwas trinken. Es würde euch guttun, miteinander zu reden. Peter schlägt die ganze Sache auf den Magen. Er glaubt nämlich, dass man es dir nicht gesagt hat.«
    Mit dem Segen der Ziege Micalef legte ich den Hörer auf. Mutter hatte zugehört, düster und steif wie eine Tugendwächterin. Dass ich mit Peter reden wollte, war ihr nur recht.
    »Du weißt gar nicht, wie abscheulich du manchmal bist. Ich mag Peter gern, er ist ein netter Junge. Er wird dich schon zur Vernunft bringen.«
    Der Bus hielt an der Straßenecke und brachte mich in zwanzig Minuten zum Tennisclub. Die Sonne stand bereits tiefer, die Tennisplätze waren alle besetzt. Das Aufprallen der Bälle verursachte ein helles, heiteres Geräusch. Ich sah Peter schon von Weitem, wie er gegen die harten, kraftvollen Schläge seines
Vaters ankämpfte. Peter spielte nicht schlecht, und sein Vater schonte ihn nicht. Harte Zucht, auch auf dem Tennisplatz. Ich lehnte mich an das Geländer und sah zu. Peter war Linkshänder, was beim Tennisspiel einen Vorteil bedeuten mochte. Aber er war nicht bei der Sache, ermüdete schon im zweiten Satz und unterlag – gleichgültig und ganz außer Atem – im dritten. Ich winkte ihm zu, und sein finsteres Gesicht erhellte sich ein wenig. Auch sein Vater hatte mich gesehen. Beide

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