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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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kamen auf mich zu. Dr. Micalef konnte sich denken, warum ich hier war, und schob die Unterlippe verbindlich vor. Sein Tonfall klang betrübt, den Umständen entsprechend.
    »Guten Abend, Alessa. Schön, dich zu sehen. Ihr hattet beide einen schlimmen Tag, oder täusche ich mich da? Peter hat miserabel gespielt, und am Montag ist Schulanfang!«
    Ich nickte stumm, und er sprach mit einem Ausdruck angewiderten Mitleids weiter.
    »Schade um den Jungen, er soll ja begabt gewesen sein. Es liegt ganz eindeutig an seiner Erbmasse. Der arme Don Antonino, der es so gut mit ihm meinte! Ich bin nicht ohne Einsicht, aber ihr kennt das Sprichwort: ›Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.‹«
    Unter Peters gerunzelten Brauen flammte ein wütender Blick, bevor er wieder auf seine Tennisschuhe starrte. Ich ahmte ihn in seinem Schweigen nach, während Dr. Micalef sich mit einem Taschentuch den Schweiß abtupfte.
    »Solche Geschichten sollen in Ordnung gebracht werden, und vielleicht es ist gut, wenn ihr – ohne Beisein von Erwachsenen – darüber sprecht. Es gibt etliche harte Tatsachen im Leben, mit denen wir uns abfinden müssen. Ihr habt noch Zeit zu reden. Das Clubhaus schließt erst um fünf. Und die Getränke gehen auf meine Rechnung, ja?«
    Er schlug Peter auf die Schulter, sodass dieser leicht taumelte. Dann holte er seinen Sportsack und stakste mit raumgreifenden Schritten in Richtung Parkplatz. Endlich konnten
wir uns ansehen, Peter und ich. Sein Gesicht rötete sich, schien anzuschwellen, und seine Augen wurden nass.
    Ich berührte seinen Arm.
    »Komm!«
    Auf der Terrasse warteten einige Spieler, bis ein Feld frei wurde. Wir hatten Durst und bestellten Mineralwasser, eine große Flasche. Peter saß mit steifem Rücken auf seinem Plastikstuhl, zeichnete mit dem Finger Muster auf den Tisch, bevor er endlich das Schweigen brach.
    »Hättest du so was für möglich gehalten? Wir wussten ja, dass seine Brüder Verbrecher sind. Aber Giovanni…!«
    Peter sprach leise und verzweifelt von etwas, was er sich offenbar gar nicht recht vorstellen konnte. Die Frage: »Ist es überhaupt gut, davon zu reden?«, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Entsetzen ergriff mich bei dem Gedanken, dass Peter womöglich glaubte, was ihm die Erwachsenen sagten. Dass er einfach nur trauern und nicht weiter suchen würde. Durch die Stille klangen das regelmäßige Klatschen der Bälle und gelegentlich die Grunzlaute der Spieler, wenn sie einen Schlag verfehlten.
    Ich sagte vorsichtig: »Glaubst du wirklich, dass er das gemacht hat?«
    Peter hob die Schultern, sah mich unglücklich an.
    »Es kann ja sein, dass er wütend wurde, weil Don Antonino ihn mit Pornografie ertappte.«
    Ich traute meinen Ohren nicht, dass Peter dieses Wort in den Mund nahm. Verglichen mit den Gleichaltrigen von heute lebten wir behütet und in krasser Unwissenheit. Ich schluckte.
    »Hast du dir solche Hefte mal angesehen?«
    Er bewegte sich unruhig.
    »Ja, doch, aber…«
    »Was, wenn dein Vater dich dabei ertappt hätte?«
    Er antwortete lebhaft.

    »Mein Vater ist Arzt, nicht Priester. Das macht einen Unterschied.«
    »Tu nicht so scheinheilig!«, zischte ich.
    Er duckte sich leicht. Wahrscheinlich spürte er das instinktive Ungerechtwerden, wenn man den eigenen Schmerz ersticken will.
    »Möglich, dass Giovanni ein schlechtes Gewissen hatte.«
    Ich schwieg. Durch die Brillengläser sah er mich jammervoll an.
    »Begreifst du denn nicht, Alessa? Für Giovanni war es doch eine Sünde, dass er solche Hefte im Zimmer hatte. Don Antonino wird ihn ausgeschimpft haben! Und Giovanni ist wütend geworden, und …«
    Ich schnitt ihm das Wort ab.
    »Hättest du das auch getan, Peter?«
    Er starrte mich entsetzt an.
    »Großer Gott, nein! Das liegt einfach nicht in meiner Natur!«
    »Und du glaubst, es läge in Giovannis Natur?«
    Ich sog an meinem Strohhalm, während er die unbequeme Frage erwog. Das schräge Licht fiel durch die großen Zypressen hindurch auf seine dunkelbraunen Haare. Schließlich seufzte er.
    »Ich … ich weiß überhaupt nicht, was ich glauben soll! Aber nach alldem, was ich gehört habe …«
    Ich betrachtete seine Gesichtszüge, das Zittern seiner Lippen. Er konnte die bittere Tatsache weder begreifen noch sich damit abfinden. Peters Seele litt schwer unter der Last der zerbrochenen Träume. Ich beobachtete die auftauchenden Erinnerungen, die hinter seinen geröteten Augenlidern vorbeizogen. Es tat uns beiden so weh.
    Ich durfte nicht mehr länger

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