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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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nicht mehr viel anderes übrig blieb, als nolens volens Arzt zu werden. Wobei ich mich – wie es bei Peter oft vorkam – schwer in ihm täuschte. Er war gleichbleibend gelassen, nur Freundlichkeit, nur Pflichtbewusstsein – er hatte nie etwas von Selbstbehauptung gehört. Sein äußerliches Image blieb ganz an der Oberfläche, während die sekundäre Erscheinung in ihm – die Zielstrebigkeit – keimte und wucherte. Und – nein, von Giovanni hatte er nie mehr etwas gehört. Giovanni war wie vom Erdboden verschwunden. Als ob es ihn nie gegeben hätte. Giovanni war jener, der sich in Wirrnis verlor, in der Nacht unserer Seele, ein unruhiger Puls in unserem Blut. Vielleicht war er tatsächlich nur ein »Jemand«, der kam und wieder weiterging, den niemand halten konnte, ein freies Elektron, ein Irrlicht, das durch die Welt wanderte und sich wenig darum scherte, ob er uns folgte oder nicht. Für ihn musste der Weg zurück entsetzlich weit sein. Vermutlich würde er nie wieder suchen.
    Mein Verstand fand dieses fruchtlose Grübeln zwar abscheulich,
mein Herz lebte in der potenziellen Erwartung einer utopischen Rückkehr. Wo alles von vornherein schicksalhaft und unmöglich zu ändern ist, bleibt nur die Nostalgie. Ich dachte mir, dass es normal sei, in London dann und wann depressiv zu sein, und stellte mir vor, dass es mir in den Sommerferien auf Malta, wo immer die Sonne schien, besser gehen würde. Aber als die Ferien kamen, fuhr ich nicht nach Malta, sondern nach Binz auf der Insel Rügen, um meine Großeltern zu besuchen. Das Reisegeld war schon auf mein Konto überwiesen worden. Mutter wollte, dass ich mehr Kontakt zu den Großeltern hatte.
    Als die Mauer fiel, war ich vier Jahre alt. Ich entsann mich, dass Mutter damals geweint hatte. Sie war eine Frau, die nicht gerne ihre Tränen zeigte. »Bist du traurig?«, hatte ich sie gefragt. Sie hatte mit zitternden Lippen gelächelt. »Nein, denk das ja nicht! Ich bin glücklich!« Mutter hatte oft von einer Mauer gesprochen, hinter der die Großeltern leben mussten. Jetzt hatte ich im Fernsehen miterlebt, wie Leute diese Mauer kaputt schlugen und jubelten. Ich war natürlich viel zu klein, um zu begreifen, was da eigentlich geschah. Ich dachte nur: »Jetzt werde ich die Großeltern sehen!« Ich freute mich auf sie. Die Großeltern kamen dann auch und blieben einen ganzen Monat. Lore, die Großmutter, hatte noch eine schlanke Figur. Sie war nach einigen Tagen dunkelbraun, ihr helles Haar leuchtete silbern in der Sonne. Sie schwamm so weit hinaus ins Meer, dass wir sie aus den Augen verloren und Mutter wie eine Verrückte herumrannte, bis man sie in weiter Ferne endlich zurückkraulen sah. Inzwischen lag Dieter, der Großvater, auf dem Liegestuhl, hatte eine Schirmmütze auf dem Kopf und ein Buch in den Händen. Er wischte sich den Schweiß von der Brust, ging nur kurz ins Wasser, um sich zu erfrischen, und lag dann wieder in der Sonne.
    Ich mochte die Großeltern sehr. Mir gefiel auch ihre lässige, unkomplizierte Art, sich zu kleiden. Dieter trug Pullover in
bunten Farben und einen Fransenschal um den Hals. Malteser im gleichen Alter trugen dunkle Anzüge, im Sommer höchstens ein kurzärmeliges Hemd.
    Und Großmutter erst! Ihre weit geschnittenen Hosen, ihre bunten Pullover, die sie selbst anfertigte, entzückten mich. Ihr Haar war kurz geschnitten, ihre nackten Füße steckten in Sandalen. Mit den einheimischen vollbusigen Matronen hatte sie nicht das Geringste gemeinsam. Sie sah aus wie ein Mischung aus Elfe und Schiffsjunge.
    In den folgenden Jahren sahen wir sie weniger. Es gab andere Orte, für sie jetzt wieder erreichbar, und so viel Neues, das sie erleben wollten, schnell, schnell, solange sie es noch vermochten. Ihre Uhr tickte bereits, und Großvater war von zarter Gesundheit. Ich, die das Vorher und Nachher nicht gekannt hatte, verstand nicht ihre Unruhe, ihr Bedürfnis, immer wieder ihre Koffer zu packen. Dann, während einer Kreuzfahrt, erlitt Großvater einen Schlaganfall. Sie fuhren durch den Suezkanal, die Hitze war zu stark für ihn. Großvater erholte sich, aber er zieht noch heute einen Fuß nach, und der linke Winkel des Mundes und der linke Winkel des Auges sind herabgezogen, sodass diese Seite seines Gesichts immer verdrossen aussieht. Sie waren Buchhändler gewesen, hatten im gleichen Jahr in Rente gehen können. Die Buchhandlung hatte die Prokuristin übernommen, und mit dem Reisen war es vorbei. »Wir haben viele Orte gesehen, die

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