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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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›Komm, wir gehen jetzt etwas essen‹, schlug ich vor. ›Das wird dir guttun.‹
    Sie schüttelte den Kopf. Nein, sie sei müde. Sie kroch unter die Decken, nackt, wie sie war. Weil ich Hunger hatte, nahm ich den Schlüssel und sagte: ›Dann schlaf ein bisschen. Ich bin unten in der Gaststube. Und wenn du Lust hast, gehen wir nachher noch etwas aus.‹ Als der Aufzug hochschepperte, rief sie hinter mir her durch die offene Tür: ›Lavinia!‹ Ich drehte mich verblüfft um. ›Aber ich bin Viviane.‹ Sie hustete und lachte gleichzeitig; es hörte sich wie ein Krächzen an. ›Du kannst sagen, was du willst, ich weiß genau, wer du bist. Und glaube ja nicht, ich hätte meine Zeit verplempert. Salisbury kenne ich besser als du. Ich war bei einem Makler. Der wird das Haus übernehmen.‹ Gerade hielt der Aufzug mit einem Ruck. Ich war so erschrocken, dass ich mir die Finger im antiken Scherengitter einklemmte.
    ›Aber das kannst du doch nicht!‹, stieß ich fassungslos hervor. Sie lachte stoßweise, drückte das Kopfkissen an ihre schlaffe Brust. Liegend schien sie nur noch Haut und Knochen.
    ›Und wieso nicht? Das ist mein gutes Recht! Der Taubenschlag gehört mir. Ich mache mit dem Scheißhaus, was ich will.‹
    Als sie das sagte, fühlte ich mich ganz lahmgelegt, kam zum Glück wieder rasch zu Verstand und fragte, wie der Makler
denn hieß. Sie gab mir den Namen, überheblich kichernd, als ob sie sagen wollte: ›Da siehst du nun, wie schlau ich bin!‹ Am nächsten Morgen vereinbarte ich einen Termin bei dem Makler. Ich erzählte ihm, dass Miranda nicht ganz zurechnungsfähig war, und versuchte die Sache rückgängig zu machen. Aber der Makler sagte, alle Papiere seien völlig in Ordnung, sie sei die rechtmäßige Besitzerin, und das Einzige, was ich tun könnte, wäre, einen Prozess zu führen, der lange, kostspielig und nutzlos sein würde. Er kannte natürlich den ›Taubenschlag‹ und wollte sich das gute Geschäft nicht entgehen lassen. Tatsächlich meldeten sich bald verschiedene Interessenten, und zwei Wochen später wurde das Haus zum Besitz eines nicht zusammen passenden, aber recht vermögenden Ehepaars aus Oxford. Die Ländereien wurden separat verkauft. Miranda hatte den ›Taubenschlag‹ mit allen Möbeln abgestoßen, aber die neuen Besitzer waren nett. Ich sollte doch kommen, sagten sie, und die Sachen holen, die ich haben wollte. Aber da war nicht mehr viel. Grandpa hatte Lavinias Couture-Roben längst einem Museum überlassen. Ihr Schmuck, der inzwischen mir gehörte, lag in einem Safe. Wenn ich auf Tournee bin, kann ich mich damit nicht blicken lassen. Viel zu exklusiv. Ich trage nur diesen Aquamarin. Der ist von Fabergé, aber ich sage allen Leuten, das ist kein echter.
    Kurzum, im ›Taubenschlag‹ gab es kaum noch etwas, das wichtig für mich war. Ich fand noch einige Fotoalben, zwei Schachteln voller alter Briefe und Postkarten und in einer Schublade etwas, das mich sehr anrührte: eine Bürste von Lavinia, aus Schildpatt, an der noch zwei lange, rotblonde Haare hingen. An diesen Haaren erkannte ich, mehr als an allem anderen, dass sie wirklich ein Wesen war, das gelebt und geatmet hatte. Ich befreite behutsam die Haare, legte sie in feines Seidenpapier. Und daneben entdeckte ich noch etwas anderes: ein ungeöffnetes Parfümfläschchen: Si von Schiaparelli. Ich wusste von Grandpa, dass Lavinia dieses Parfüm in Paris entdeckt
hatte und seitdem nur noch das trug. Das Parfüm gibt es heute nicht mehr. Ich öffnete das Fläschchen, schnupperte an dem Stöpsel, ließ ein paar Tropfen auf mein Handgelenk fallen. Und obwohl alte Parfüms ihren Duft verändern oder verlieren, fand ich trotzdem einen Hauch auf meiner Haut, der mich an Lavinia denken ließ, obwohl ich sie ja nie gekannt hatte. Es stimmte schon, dass kein anderes besser zu ihr gepasst hätte.«
    Viviane hörte unvermittelt zu reden auf, schob ihren Stuhl zurück.
    »Die Pastete war wirklich gut. Holen wir uns noch eine?«
    Ich brauchte zwei Sekunden, bevor ich verneinen konnte. Vivianes Geschichte ging mir an die Nieren. Merkwürdig, analysierte ich, bei ihr vollzieht sich alles wie in einem Labor: Sie verknüpft Nebensächliches, das sie verknüpft sehen will, zeigt das Menschliche wie in einem Experiment und vergisst dabei nicht, auch die seelischen Abläufe zu entlarven. Mir war dabei der Appetit vergangen. Doch Vivianes starke Lebenskraft verlangte nach Nahrung.
    »Bei mir setzt der kleinste Bissen an, es ist

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