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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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setzten uns einander gegenüber. Er füllte die Gläser, aß langsam und ruhig. Ich sah ihn dabei verstohlen an und stellte fest, dass er immer noch die guten Tischsitten hatte, die ihm Pater Antonino damals beigebracht hatte.
    »Du warst lange fort«, sagte ich.
    »Elf Jahre«, erwiderte er.
    »Eine lange Zeit«, sagte ich. »Warum bist du zurückgekommen?«
    »Ich wollte dich sehen.«
    Ich zuckte lächelnd mit den Schultern.
    »Im Ernst?«
    »Im Ernst, mein Vater ist gestorben, und meine Brüder schulden mir Geld. Aber dass ich dich sehen wollte, stimmt. Ich lüge nie.«
    »Nie?«, fragte ich zweifelnd.
    Er lächelte vor sich hin.
    »Man braucht nicht zu lügen. Es geht auch anders.«
    Ich nickte, obwohl ich ihn nicht ganz verstand. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich zwang mich dazu, einige Bissen zu essen, während ich nur mühsam meine Fassung bewahrte. Er trank den Wein, und er trank schnell. An dem Zittern seiner Hand, die sich an das Glas klammerte, erkannte ich, dass er genauso aufgewühlt war wie ich.
    »Ich hatte Durst«, sagte er.
    Ich schwieg, schenkte ihm nochmals Wein ein.
    »Ich war ziemlich verstört«, sagte ich.

    Seine Hand tastete mechanisch nach dem Glas.
    »Frage mich nicht, Alessa, ob ich an dich gedacht habe in diesen elf Jahren. Du warst immer bei mir, mit mir verwachsen. Du warst etwas Gutes, was mir zuteilgeworden war. Du warst so oft in meinen Gedanken und so vertraut, dass ich immer wieder Mut fasste. So war ich nicht ganz verloren und habe es überstanden …«
    Ich fragte nicht: Was hast du überstanden? Ich schwieg.
    »Lebst du allein?«, brach er das Schweigen.
    »Nein, ich lebe mit Kenza.«
    Wieder erschien sein flüchtiges Lächeln.
    »Es ist gut, dass du nicht einsam bist.«
    »Ich habe meine Arbeit. Eine Zeit lang war es schlimm, da hatte ich nichts mehr, niemanden mehr, auch mich selbst nicht.«
    Er antwortete langsam, ohne mich aus den Augen zu lassen.
    »Ja, ich verstehe. Mir ging es auch so. Ich spielte oft mit dem Gedanken zurückzukommen. Aber ich wollte nicht ins Gefängnis. Das war eine Sache, vor der ich mich als Junge schrecklich fürchtete. Ich fürchte mich auch heute noch davor. Eingesperrt zu sein, das ertrage ich einfach nicht!«
    »Du wärest nicht eingesperrt worden. Das Verfahren gegen dich wurde eingestellt.«
    Er verzog unfroh die Lippen.
    »Aber als man es mir sagte, war ich schon in Somalia.«
    »Was hat man dir erzählt?«
    »Dass sich Pater Antonino plötzlich nicht mehr erinnerte, was er denn eigentlich gesagt hatte. Dass man ihn falsch verstanden hatte, und ähnliche Dinge. Ich glaubte kein Wort davon. Ich dachte: Die Lüge hat sich die Polizei ausgedacht, damit ich in die Falle gehe. Ich hatte Angst. Zurückkehren, was hatte das für einen Sinn? Wozu? Für wen?«
    »Für mich«, sagte ich leise.
    Er seufzte. Manchmal zog er leicht an seinem Ohrring, ganz unbewusst.

    »Für dich, ja. Aber es ging über meine Kräfte. Dass ich Priester wurde, davon konnte keine Rede mehr sein. Alles, nur das nicht! Ich wäre gerne wieder zur Schule gegangen, aber ich dachte an die Lehrer und schämte mich. Und wo sollte ich wohnen? Auch das war ein Problem. Ich wollte bei dir sein, ich wurde fast verrückt, von dir getrennt zu sein. Ich war außer Fassung, es gibt einfach Dinge, die unverzeihlich sind. Und schließlich war Malta weit weg und ich war in Afrika. Ich dachte, hier kann ich mich durchschlagen.«
    Ich fragte langsam:
    »Und was hast du noch über Pater Antonino erfahren?«
    »Dass er sich den Schädel angeschlagen hatte und eine Zeit lang nicht mehr die Messe lesen konnte. Und dass er, als der Priester von Comino in den Ruhestand ging, darum bat, dessen Amt zu übernehmen. Dort ist er zweifellos noch und pflegt seine seelischen Wunden.«
    »Nein, er ist vor ein paar Jahren gestorben.«
    Giovannis breite Schultern hoben sich.
    »Gott schütze seine arme Seele. Er war wohl alt genug.«
    Er reagierte noch immer nachtragend. Sein Groll war deutlich spürbar. Ich konnte das verstehen.
    »Was du offenbar nicht weißt, ist, dass er nicht freiwillig nach Comino ging, sondern dorthin verbannt wurde.«
    Giovanni schnitt eine Grimasse.
    »Verbannt? Das kann ich nicht glauben.«
    »Und doch ist es wahr.«
    »Sag bloß«, meinte er sarkastisch, »das Gerücht ist an bischöfliche Ohren gedrungen? Das nehme ich dir nicht ab, Alessa.«
    »Es war nicht der Bischof.«
    »Ja, wer denn sonst? Der Papst?« Giovanni lachte stoßweise und bitter.
    »Lass den Papst in Ruhe. Es war

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