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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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Fra Beato.«
    »Fra Beato?«

    Giovannis Lachen gefror. Er sprach den Namen langsam aus, wie man von etwas spricht, über das man lange nicht nachgedacht hat, das einen aber trotzdem erfüllt. Es war, als habe dieser Name etwas in ihm geweckt, das lange verschüttet gewesen war, als sei aus der Erinnerung etwas in sein Bewusstsein getreten, das tief in ihm begraben gewesen war, seinem Gedächtnis fern. Jetzt trat ihm die Erinnerung wieder vor Augen, versetzte ihn in jene Zeit zurück, als er noch ein Kind war, das das Hässliche auf Erden nicht sah, nicht sehen wollte, das noch voller Hoffnung und Ideale war. Giovanni sprach Fra Beatos Namen aus, als sei es der Name eines Heiligen. Denn Fra Beato war ein Mensch, der sich von allen anderen unterschied, weil das, was ihn aus der Menge emporhob, die Weisheit war. Das Kind, das Giovanni einst gewesen war, hatte es schon damals begriffen. Und seltsamerweise schien er das, was ich sagte, auch nicht in Zweifel zu ziehen.
    »Woher wusste er, was geschehen war?«
    »Peter und ich waren bei ihm.«
    Giovannis Augen weiteten sich, sodass seine Pupillen noch größer wurden.
    »Wie? Ihr seid auf St. Angelo gewesen? Meinetwegen?«
    »Deinetwegen, ja. Es war Peters Idee. Fra Beato hat uns mit seinem Wagen abgeholt, genau wie damals, entsinnst du dich? Aber wir waren nur zu zweit. Viviane war schon in London. Wir haben ihm alles erzählt.«
    Ich spürte, wie er den Atem anhielt.
    »Alles?«
    »Wir schämten uns sehr, aber wir mussten es tun. Anders ging es nicht.«
    »Und er hat euch geglaubt?«
    »Er hat uns jedes Wort geglaubt.«
    Giovanni hatte immer noch dieses außergewöhnlich schöne Gesicht, dieses warme Leuchten in den Augen.
    »Und … was hat er gesagt?«

    »Er hat gesagt: Wir sollen Gott nicht warten lassen.«
    Giovanni stieß kurz und zischend die Luft aus.
    »Bist du sicher, dass er das gesagt hat?«
    »So, wie ich es dir sage. Ich habe jedes Wort noch genau im Ohr. Und dann hat er noch gesagt, er würde die Sache in Ordnung bringen. Danach ging alles ganz schnell. Die Polizei hat uns mitgeteilt, das Missverständnis sei geklärt, und du könntest sofort im Priesterseminar aufgenommen werden. Aber es war schon zu spät…«
    Er saß eine Weile da, stumm und steif, das sinkende Licht spielte auf seinem Gesicht, das von innen her wie durch Goldreflexe erleuchtet schien. Es lag ein Ausdruck des Schmerzes auf diesem Gesicht, als sähen die Augen seiner Seele das Kind, das er nicht mehr war. Sein Atem wurde hastig und rau. Ganz plötzlich legte er den Kopf auf beide Arme, atmete schwer, mit zuckenden Schultern. Als er endlich wieder aufblickte, sah ich den Ausdruck der Verzweiflung auf seinem Gesicht – den Schatten, der seine dunklen Augen noch dunkler machte, und die Tränen, die langsam über seine Wangen liefen. Er weinte die Tränen eines Menschen, der zu früh erwachsen geworden war, weinte um die verlorene Unschuld, wie er einen toten Freund beweint hätte. Schließlich hob ein schwerer Seufzer seine Brust. Und als er sprach, klang seine Stimme tonlos.
    »Manches Mal … kommen die Engel ganz nahe. Wir spüren ihre Gegenwart, auch wenn sie uns als Menschen erscheinen. Sie bringen uns Hoffnung und Trost. Und manches Mal … kommt etwas Schwarzes über uns. Ich weiß nicht, was es ist.«
    Er stockte, verbarg sein Gesicht in beide Hände, verwischte die Tränen mit den Fingern. Ein Schweigen folgte, das ich behutsam brach.
    »Giovanni, wo warst du die ganze Zeit?«
    Er hob das Gesicht, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.

    »Ägypten, Libyen, Somalia. Und am Ende Mexiko.«
    »Welchen Pass hast du?«
    Er zog die Schultern hoch.
    »Ich habe einen falschen italienischen Pass. Schlampige Arbeit übrigens. Aber wozu einen Pass? Ich bin auf einer Segelyacht gekommen. Kontrollen kommen auf Sportbooten selten vor. Es ist eine zuverlässige Art, an Land zu kommen, ohne einen Pass vorweisen zu müssen. Das geht natürlich nur, wenn man die richtigen Leute kennt.«
    Ich spürte ein inneres Kribbeln. Was er da sagte, war nicht viel, ein dünnes Mindestmaß an Informationen. Ich wollte mehr wissen.
    »Was hast du in den elf Jahren alles gemacht?«
    Er nahm einen langen Schluck.
    »Oh, so allerhand. Es war am besten, dass ich mich ruhig verhielt und das tat, was man mir sagte. Niemand war verpflichtet, mich durchzufüttern. An gewissen Orten und unter gewissen Leuten ist Ungehorsam ein Zeichen von angeborener und unheilbarer Dummheit. Immerhin ließ man mich nicht

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