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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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setzte sie versonnen hinzu. »Und mein Vater, wenn er nicht zu bekifft war, sang wunderbar ›Rembetiko‹. Das hat mich tief beeindruckt. Ich glaube, wenn wir richtig hinhören, müssten wir die Melodie schnell begreifen. Die Worte sind immer da, an der richtigen Stelle. Unsere Gefühle kommen einfach dazu.«
    Peter seinerseits erzählte, dass er sich noch immer nicht mit seinem Vater versöhnt hatte.
    »Er will, dass ich mich entschuldige.«
    Viviane blinzelte.
    »In aller Form, wie es sich gehört?«

    »In aller Form, jawohl. Ich habe mich noch nicht dazu aufraffen können. Vielleicht nach dem Examen, wenn er sieht, dass ich es zu etwas bringe. Und inzwischen muss ich arbeiten, um meine Miete zu zahlen.«
    »Wenn du fett dabei wirst …«, meinte Viviane. Wir lachten. Viviane spielte gedankenverloren mit seiner Hand.
    »Bist du glücklich?«, fragte sie ihn zärtlich.
    Er seufzte.
    »Ich habe festgestellt, es kommt in der ganzen Welt doch nur auf eins an: dass man das macht, wozu man sich fähig fühlt. Ich habe Tiere sehr lieb.«
    »Lieber als deinen Vater?«, fragte ich.
    »Viel lieber«, sagte Peter.
    Und wieder lachten wir, während Viviane über seine Hand strich, eine warmherzige, fast mütterliche Geste.
    »Die Menschen, die liebst du also nicht sehr?«
    Er verzog leicht die Lippen, sein Blick glitt rasch zu Giovanni hinüber. Das Lächeln in seinen Augen war sehr erstaunlich, zeigte es doch eine lebendige Zuneigung. Er sagte:
    »Die Menschen lieben? Es würde mir besser gehen, wenn ich davon überzeugt wäre, dass es sich lohnt. Ich glaube es beinahe nicht mehr«, meinte er, und wir lachten. Peter sah unentwegt Giovanni an, dessen Züge sich zu einem versonnenen Lächeln spannten. Er war wohl etwas betrunken und hatte sich nicht mehr ganz in der Gewalt.
    »Du hast wohl recht. Wenn ich den Menschen vertraue, mache ich Unfug. Und manchmal sage ich mir … mir ist gleich, was aus mir wird. Mir ist’s gleich, solange ich nicht …«
    Er stockte, ein erschreckend leerer Ausdruck zog über sein Gesicht. »Solange ich nicht mehr fühle, dass ich wirklich lebe … weil … ich etwas verloren habe, was nie wiederkommt.«
    Er sah mich dabei an, nahm mit einer langsamen, sehr bewussten Bewegung meine Hand, hielt sie fest. Sie waren vorbeigegangen, die Jahre, so unaufhaltbar, wie Maschen aus
einer Strickarbeit herunterfallen, und schon bald würde das Heute zu Gestern werden und nichts übrig lassen außer der Erinnerung. Und am Ende nicht einmal mehr das. Dieser Gedanke war ganz unerträglich.
    Wir tranken unseren Kaffee, als die Musiker an unseren Tisch kamen. Sie wollten sich das Fest ansehen. Wir tauschten lachende Blicke. Ja, wir auch! Und während wir uns alle erhoben und unsere Stühle zurückschoben, sagte Giovanni halblaut zu mir:
    »Ich habe nie eine andere Frau so geliebt, wie ich dich liebe. Und ich werde auch nie eine andere lieben.«
    Er zog mich kurz an seine Brust. Ich flüsterte rau:
    »Vielleicht ist es möglich, dass du bleibst …«
    »Ganz und gar unmöglich«, sagte er.
    So war es mit Giovanni, er machte mir nie etwas vor, nicht einmal, um mich zu schonen. Und während er das sagte, umarmte er mich, als wären wir alleine auf der Welt, klammerte sich an mir fest, erdrückte mich fast. Sein Herz schlug so hart, als ob es in meiner Brust hämmerte. Peter betrachtete uns mit unbeteiligtem Gesicht, aber Viviane trat an uns heran und sagte, fast schwärmerisch ergriffen: »Ihr seht so wunderbar aus, einfach unbeschreiblich …«
    Sie war uns ganz nahe, wie sie es stets gewesen war, noch als wir ihre nervöse kleine Nähe als zudringlich empfunden hatten. Aber jetzt war alles anders, sie berührte uns mit feinen, lebendigen Fingerspitzen, und ihre Berührung war eine Wohltat. Auf einmal stieß sie einen hörbaren Seufzer aus, drehte sich von uns weg und stolperte auf ihren High Heels die Stufen hinab, die zum altmodischen Aufzug führten. Peter folgte, mit einem nervösen Zucken um den Mund. Die drei Musiker hatten Stiefel an, die auf der Holztreppe bis zum Aufzug viel Lärm machten. Das ganze Gebäude trug diesen Schall, wie eine Trommel.
    Endlich waren wir draußen, in der stickigen Wärme der Passanten.
Es war vier Uhr morgens, doch keiner dachte an Schlaf. Aus jedem Restaurant, aus jedem Café drangen Stimmengewirr und das Klappern von Geschirr. Die rot-goldenen Kirchenbanner blähten sich und flatterten im Wind des anbrechenden Tages. Überall pfiffen Knallfrösche, und die bunten Kugeln der

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