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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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zueinander sprachen, den Blick abwärts auf den Hafen gerichtet, spürten wir von hinten einen verstärkten Druck, als ob Menschen sich dichter an uns heranschoben. Wir wollten auf die Seite treten, als zwei Arme uns von hinten umfassten.
    »Es war leicht, euch zu finden in Valletta«, sagte in unserem Rücken eine vertraute Stimme. Wir wandten uns um, mit derselben hastigen Bewegung.
    »Giovanni!«, rief Peter.
    »Schön, dich zu sehen«, sagte Giovanni. Er erwiderte Peters Blick, warmherzig lächelnd. Er trug zu seinen Jeans ein Hemd mit langen Ärmeln, das die Tätowierungen verbarg. Man sah sie nur im Nacken und auf den Wangenknochen, wo sie wie blaue Schminke wirkten. Bewegte er den Kopf, warf der silberne Ohrring kleine Funken. Früher, kam mir in den Sinn, war Peter größer als Giovanni gewesen. Aber Giovanni hatte schnell aufgeholt, sich mit seinen langen Armen und Beinen ständig gestreckt. Und jetzt war er ein gutes Stück größer. Und weil ich so dicht neben Peter stand, spürte ich, wie er leicht zusammenfuhr, als wäre ihm in einem einzigen Atemzug zu viel klargeworden. Dann stahl sich ein Lächeln in sein Gesicht. Er packte Giovanni an den Ellbogen, sah ihm in die Augen. In Giovannis Blick war eine andere Welt, ein Jenseits. Auf Peter mochte dieser Blick befremdlich wirken, und trotzdem stand er sofort unter Giovannis Zauber. Seine Augen hinter der Brille waren weit offen und starr, wie unter Hypnose. Giovanni blinzelte ihm zu. Mir war, als nähmen beide ihre vertraute Verbindung wieder auf, in einem Atemzug und ganz mühelos. Aber ich konnte mich täuschen.
    »Herzlich willkommen daheim!«, sagte Peter, betont heiter.

    Giovannis Antwort war, wie stets, vollkommen ehrlich.
    »Ich fühle mich fremd.«
    Peters sensible Lippen zitterten ein wenig.
    »Hat es dir im Ausland besser gefallen?«
    »Aber ja«, erwiderte Giovanni leichthin.
    »Hast du dich dort einsam gefühlt?«
    »Kann ich nicht sagen.«
    »Liebst du Malta nicht mehr?«
    Giovanni zog an seinem Ohrring.
    »Eine verdammt unbequeme Liebe ist das.«
    »Weswegen?«
    Giovannis Gesicht wurde starr.
    »Ich habe Brüder, die unheilbar krank sind.«
    Peter sah leicht verwirrt aus.
    »Was meinst du damit, krank?«
    »Sie verbreiten Lügen. Lügen stinken, hast du das nicht gewusst?«
    Ich erbebte innerlich. Als sie von Miranda sprach, hatte Viviane das Gleiche gesagt.
    »Machen sie immer noch ihre krummen Geschäfte?«, fragte Peter.
    »Das geht mich eigentlich nichts an.«
    Giovanni erwiderte Peters Blick. Beide schwiegen. Ich sprach lieber von etwas anderem und fragte Giovanni, ob er Viviane singen gehört hatte. Er nickte.
    »Ja, ich bin rechtzeitig gekommen.«
    »Hat es dir gefallen?«
    »Ja, sehr.«
    Wieder Schweigen.
    »Hör mal, Giovanni, ich weiß wirklich nicht, ob ich dir Fragen stellen sollte oder lieber nicht«, sagte schließlich Peter. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er derart verlegen sein würde.
    Giovanni antwortete gleichmütig.

    »Ich weiß es auch nicht.«
    »Wie lange bleibst du denn in der Gegend?«
    »Nicht mehr lange. Vielleicht noch ein oder zwei Tage. Dann verschwinde ich wieder.«
    Peter stand still da, für einen Augenblick versunken, ja verwirrt, bevor er beherzt fragte:
    »Für immer?«
    En dumpfes Lächeln huschte über Giovannis Lippen.
    »Ich bin hier nicht unbedingt erwünscht.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen«, sagte Giovanni.
    Das düstere Licht in seinen Augen glühte auf, dann sanken leicht verächtlich seine Lider und hoben sich wieder. Peter fühlte diese Augen auf ihm ruhen; es waren nicht mehr die arglosen Augen von früher. Peter wusste offenbar nicht, woran er bei ihm war. Zwischen ihnen schwebte etwas Sonderbares, eine gegenseitige Unsicherheit. Schließlich räusperte sich Peter.
    »Kein Heimweh also?«
    Kein Muskel regte sich in Giovannis Gesicht.
    »Man reißt es mit der Wurzel heraus.«
    Peter hatte plötzlich wieder seine steife Art, hinter der sich wohl Angst verbarg. Er maß Giovanni mit verstohlenen, scharfen Blicken, als ob er eine Gefahr in ihm sehe. Ich spürte diese seltsame Schwingung zwischen ihnen und war erleichtert, als Viviane den Vorhang zurückschlug und auf die Bühne trat. Ich winkte ihr zu. Sie sah uns und winkte zurück: Wir sollten kommen. Ein paar Bretterstufen führten zur Bühne empor, wo uns die Musiker mit mattem Kopfnicken grüßten. Alle waren erschöpft, man sah es ihnen an. Aber sie waren routiniert, jede Bewegung stimmte, das

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