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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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sprachen. Wir starrten beide an, wir kannten ihre Absichten nicht, wussten auch nicht, wie wir Vivianes Worte auslegen sollten. Sie hörten sich so absurd an. Giovanni verzog keine Miene, doch seine Augen glühten. Etwas war in ihnen, eine Dumpfheit, eine Verzweiflung, von der wir nichts wussten. Und obgleich er reglos dastand, schüttelte ihn der Schmerz, schüttelte ihn innerlich mit einer Leidenschaft, als ob die Erde unter seinen Füßen zerbrach.
    Dann hob ein tiefer Seufzer seine Brust, und er sagte ruhig:
    »Wenn du mir sagst, ich soll kommen, werde ich da sein.«
    Sie warf den Kopf nicht zurück, wie sie es vorhin getan hatte, sondern schaute ihm in die Augen, als wollte sie in ihnen ein Vorzeichen erblicken. Ich sah nicht mehr als das in ihr; ich spürte, dass von uns allen Giovanni der Einzige war, der wirklich verstand, was sie meinte. Unvermittelt brach er in Gelächter aus, und das erschreckte mich noch mehr als alles andere. Ich sah seine weißen, starken Zähne im Dämmerlicht blitzen.
    »Du hast lange gewartet«, sagte er.
    Vivianes blasses Gesicht verzerrte sich, wurde zur weißen Fratze. Sie fauchte ihn an, wie ein Raubtier.
    »Mach, dass es schnell geht.«
    Giovannis Lachen verschwand ebenso schnell, wie es sich gezeigt hatte.

    »Ja«, sagte er in freundlichem, rücksichtsvollem Tonfall, bevor er sich mir mit heftiger Bewegung zuwandte und mich in seine Arme riss.
    Es war ein langer, harter Kuss, dem ich mich kraftlos ergab. Als er endlich seine Lippen gewaltsam löste, merkte ich, dass er mir das Innere des Mundes mit den Zähnen verletzt hatte. Ich taumelte zurück, doch er drehte sich bereits um und ging mit großen Schritten über den Platz. Als ich ihm nachsah, hatte ich das Gefühl, dass ich die Hälfte von mir verloren hatte, dass er mein Leben mit sich trug, meine ganze Seele. Und in diesem Augenblick hörte ich neben mir einen Aufschrei, ein dumpfes Geräusch. Ich wandte mich hastig um und sah Viviane klatschend zu Boden fallen: Sie hatte einen epileptischen Anfall.

41. Kapitel
    V ivianes Körper war gekrümmt wie ein Bogen, sie keuchte und zuckte in Krämpfen, als ob Feuer durch ihr Rückgrat floss. Sie drehte sich hin und her, schlug heftig mit den Armen, griff mit beiden Händen nach der Brust, riss mit erstaunlicher Kraft ihr Top auf, als sei sie am Ersticken. Sie war jetzt nicht mehr blass, sondern fast blau im Gesicht. Ihre kleinen Brüste wurden sichtbar, ihre dünnen Rippen, die sich stoßweise hoben und senkten. Sie wälzte sich auf der Blüte, die am Boden lag, zerdrückte sie endgültig, verstreute die purpurnen Blätter wie Blutstropfen. Ihre Augen, auf meine gerichtet, waren weit offen, blicklos. Ich stand da wie gelähmt, es war, als ob das Geschehen mir selbst das Kreuz brach. Auch die Musiker waren stumm und betroffen, es schien, als fehlte ihnen jede Kraft, ihr zu helfen. Peter war der Einzige, der fast augenblicklich reagierte.
    »Festhalten!«, keuchte er. »Ein Taschentuch, schnell!« Tommy hatte eins, Peter riss es ihm aus der Hand, öffnete mit Gewalt Vivianes Lippen, die von blutigem Speichel und Lippenstift verschmiert waren, schob ihr das Taschentuch in den Mund. Sie entwickelte fast übermenschliche Kräfte, bäumte sich auf, strampelte, schlug mit den Fäusten auf den Boden. Die drei Musiker hatten alle Mühe, sie zu halten. Um uns herum stauten sich die Menschen, gafften und wichen erschrocken zurück. Peter sah auf, sein Gesicht war nass vor Schweiß.
    »Alessa! Schnell! Der Notruf!«
    Ich hatte die Nummer zum Glück gespeichert. Das war in
meinem Beruf eine unerlässliche Maßnahme, weil es ja sein konnte, dass ein Unfall passierte, während ich mit einer Gruppe unterwegs war. Touristen mochten stürzen oder einen Hitzekollaps erleiden. Es gab Insektenstiche, die gefährliche allergische Reaktionen auslösten. Ich tippte sofort die Nummer ein und gab unseren Standort an. Man sagte mir, dass ein Krankenwagen in ein paar Minuten zur Stelle sein würde. Inzwischen war Vivianes heftiger Krampf in unentwegtes Zittern übergegangen, als ob elektrische Impulse sie durchfluteten. Ihre Augen schwammen, die verdrehten Pupillen zeigten nur das matt glänzende Weiße. Ich kniete neben ihr und wollte Peter helfen, sie zu halten, als sie unvermittelt meine Hand packte und festhielt. Ich stöhnte, weil sie mir fast die Hand zerquetschte, und versuchte erfolglos, ihre Finger zu lösen. Ich hatte das Gefühl, dass ihre Hand keine menschliche Hand mehr war, sondern eine Art

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