Moni träumt vom großen Glück
fünf Minuten früher als sonst, und dann fuhren wir zusammen „die kleine Schleife“ – wie sie sagte – und holten Ruth ab. Wir pferchten uns eben zusammen und mit ein bißchen Übung ging es prima.
Eines Morgens stand Ruth gar nicht vor der Tür wie sonst immer. Ich sprang aus dem Wagen und klingelte. Ruth sei erkältet, erzählte die Mutter, und müsse im Bett bleiben.
„Du, Melitta!“ sagte ich, als ich wieder neben ihr saß. „Wir sind ganz in der Nähe von Jutta. Wollen wir sie nicht abholen? Sie würde sich bestimmt freuen.“
„Meinetwegen“, sagte Melitta. „Sag mir, wie ich fahren soll.“
Ich erklärte ihr den Weg. Es war wirklich nur ein ganz kleines Stückchen. Aber wir hatten wenig Glück. Jutta war schon losgegangen. Na, vielleicht konnten wir sie unterwegs abfangen.
Walter war gerade dabei, sein blaues Moped zu besteigen. Ich nickte ihm kurz ein „Guten Morgen“ zu, und er murmelte etwas, das ich nicht verstand. Das war vielleicht mein Glück. Ich glaube, er sagte irgend etwas über „verdammte Snob-Göre“ oder so was. Das war wohl eine Anspielung auf Melittas Wagen. Dann fuhren wir los, und hinter uns knatterte das Moped.
Plötzlich mußte Melitta scharf bremsen. Ein kleiner Hund lief über die Straße, dicht vor dem Wagen. In dem Augenblick, da wir zum Stehen kamen, bekamen wir hinten einen Schubs. – Das war Walter, der uns mit seinem Moped angefahren hatte. Melitta und ich stiegen aus.
„So was Dämliches!“ rief Walter. „Mädchen am Steuer! Aber natürlich, wenn man einen reichen Vater hat, dann kriegt man schon einen Führerschein, auch wenn man den Unterschied zwischen einem Auto und einem Kinderwagen nicht kennt.“
„Nun mach aber einen Punkt!“ rief Melitta. Sie war glühend rot vor Wut. „Erstens bin ich vollkommen korrekt gefahren, das weißt du, und zweitens kann ich nicht einsehen, warum du unsere Verkehrspolizei beleidigst. Du deutest an, daß die Stellung meines Vaters eine Rolle spielen sollte bei meinem Führerschein! Nein, Walter, so dumm bist du doch nicht, daß du selbst das glaubst!“
Ich holte ein Stück Papier und einen Bleistift aus der Tasche.
„Es ist besser, Walter, du sagst uns gleich, wo du versichert bist.“
„Das geht dich einen Dreck an!“
„Es geht Melitta an, und ich bin Zeugin, daß du das weißt! Melitta ist sehr vorsichtig gefahren. Das hat sie dadurch bewiesen, daß sie so schnell zum Stehen kam. Aber du hast keine blasse Ahnung davon, daß es deine Pflicht ist, einen gewissen Abstand zu halten zwischen dir und dem Fahrzeug, das vor dir fährt.“
„Ach nee, was höre ich? Will die Kleine mir die Verkehrsregeln beibringen? Ich muß los, ich kann nicht den halben Vormittag hier mit euch blöden Gänsen verbringen.“
Walter startete das Moped wieder und zwang uns dazu, zur Seite zu springen, damit wir nicht angefahren würden.
„Der bekommt von mir etwas zu hören“, sagte Melitta verbissen. „Jetzt müssen wir ja leider zur Schule. Aber gleich nach der Schule fahr ich zur Polizei. Kommst du bitte mit, Moni? Du bist ja meine einzige Zeugin.“
„Ja, ja, Melitta, natürlich, aber…“
„Wieso, aber? Bin ich vielleicht nicht im Recht? Verstehst du nicht, daß ich wütend bin?“
„Und ob ich das verstehe, Melitta. Ich bin genauso wütend, und daß du im Recht bist… kein Zweifel, aber…“
„Schon wieder sagst du ,aber*. Was für ein Aber?“
„Ach, Melitta, ich denke nur an Frau Brander, an Walters Mutter.“
„Was hat sie denn damit zu tun?“
„Nichts, nur daß… daß sie eben die Mutter ist. Sie tut mir so schrecklich leid, Melitta. Der Walter ist ein abscheulicher Kerl. Ich bin ganz deiner Meinung. Aber wenn ich an Frau Brander denke, daß Walter etwas mit der Polizei zu tun bekommen sollte oder so was, ja, dann tut es mir eben so schrecklich leid.“
„Aber Moni, auf die Dauer geht es ja nicht, daß der Bursche sich alles mögliche erlauben kann und alles ausfressen darf und daß er immer geschont wird wegen der Mutter.“
„Ja, Melitta, ich gebe es ja zu, du hast recht, du hast so unbedingt recht. Ich habe aber Frau Brander getroffen. Du kannst dir nicht denken, wie entzückend sie ist, und sie hat so viel für ihre Kinder getan, und sie hat es bestimmt sehr schwer gehabt. Ach, ich bin ratlos, Melitta. Ich weiß gar nicht, was richtig ist…“
Melitta schwieg. Dann sagte sie, und ihre Stimme war jetzt ruhiger:
„Na gut, komm nach der Schule doch bitte mit zu meinem Vater in sein Büro.
Weitere Kostenlose Bücher