Moni träumt vom großen Glück
er.
„Nein! Das ist es ja eben. Ich mußte Wolle dämpfen, und dafür nehme ich immer das alte ohne Thermostat. Oh, bitte, bitte, darf ich?“
„Klar, da bleibt mir nichts anderes übrig. Wie weit ist es eigentlich?“
„Wenn ich ganz schnell laufe, schaffe ich es in zwanzig Minuten.“
Plötzlich erhob sich Melitta.
„Herr Studienrat, ich habe ja meinen Wagen, darf ich Moni schnell nach Haus fahren? Dann geht es ja viel, viel schneller. Wir können in wenigen Minuten zurück sein.“
„Na gut, Melitta, machen Sie das mal, aber fahren Sie vorsichtig trotz Eisen.“
Da saß ich seit langen Zeiten zum ersten Mal wieder in dem kleinen roten Wägelchen.
„Furchtbar lieb von dir, Melitta.“ Sie lächelte.
„I wo, von wegen lieb! Ich zitterte ja davor, aufgerufen zu werden!“
„Ach so“, sagte ich. „Deswegen.“
Dann lächelte Melitta. „Na, nicht nur deswegen, Moni. Klar, daß ich dir gern den kleinen Gefallen tue.“
„Ja, tust du das eigentlich, Melitta?“
„Wieso?“
„Nein, ich dachte… ich meinte… ich meinte…“ Ich blieb stecken.
„Du meintest, wir sehen uns wenig zur Zeit? Ja, ja, das stimmt schon, Moni! Aber – offen gestanden – liegt das nicht an dir? Wir können es überhaupt nicht verstehen. Warum hast du dich so ganz von uns zurückgezogen? Wir fragen dich längst nicht mehr, ob du etwas mitmachen willst; du willst ja doch nicht.“
Ich überlegte. Sollte ich Melitta etwas erzählen oder nicht?
„Weißt du, Melitta, das hat einen Grund. Ich habe etwas vor. Ich habe mir ein Ziel gesetzt. Ich habe mich dafür entschieden, mein Geld für etwas anzulegen, und… verstehst du… dann muß ich eben vorläufig auf alles verzichten, was zuviel Geld kostet.“
Solch ein Gedankengang war Melitta fremd. Sie hat nie in ihrem Leben Sparen nötig gehabt.
„Ist das so notwendig, das, wofür du sparst?“
„Notwendig? Nun, sagen wir: der Mühe wert!“
„Ach“, sagte Melitta nur, und dann hielt sie vor unserem Gartentor.
Ich rannte hinein. Ja, ganz richtig, da stand das Eisen, so glühend heiß, daß ich den Griff nicht anfassen konnte. Ich riß nur schnell den Stecker aus der Steckdose, faßte das Eisen mit einem dicken Lappen als Schutz an und stellte es auf den Steinfußboden. Jetzt konnte nichts mehr passieren… Eine Minute später saß ich wieder im Wagen.
„Weißt du, Moni, du bist eigentlich ein Schafskopf“, sagte Melitta mit entzückender Aufrichtigkeit.
„So, bin ich das?“
„Ja, Mensch, warum hast du so was nicht längst gesagt, warum läßt du uns denken, du legtest keinen Wert mehr auf uns? Wir haben es doch immer nett zusammen gehabt, Moni.“
„Ja, Melitta, das stimmt schon, und ich vermisse das auch, aber… weißt du… ich wollte kein Mitleid. Das kannst du sicher nicht verstehen. Du hast es immer sehr gut gehabt. Ich glaube, du kannst dir wohl meine Situation gar nicht vorstellen.“
„Vielleicht nicht“, sagte Melitta. „Aber ich bin jedenfalls sehr froh, daß du es mir erzählt hast, Moni.“
Dann trat eine Pause ein, eine gute, kleine Pause. Es war schön, daß ich wieder mit Melitta gesprochen hatte. Als wirzurückkamen zur Schule und Melitta parkte, sagte sie: „Du, Moni, ich überlege mir gerade etwas. Wenn du morgens fünf Minuten früher fahren willst, dann kann ich dich ja doch abholen. Es macht mir nichts aus, daß wir noch diese kleine Schleife fahren und Ruth abholen. Man kann ja auch zu dritt im Wagen sitzen… bei gutem Willen.“
„Klar kann man das“, sagte ich.
Mir war trotz allem ein bißchen leichter ums Herz.
Dieses kleine Gespräch mit Melitta hatte das Eis gebrochen. Allmählich fand ich zu meinen Freundinnen zurück, und ab und zu nahm ich mir nachmittags ein bißchen frei und traf mich mit den anderen. Auch versuchte ich immer, Jutta mitzukriegen. Ich wußte jetzt selbst, wie es ist, so halbwegs eine Außenseiterin zu sein. Das sollte Jutta nicht sein, und ich hatte das Gefühl, daß Jutta im Grunde ihres Wesens ein anständiges Mädchen war, aber sie war nicht leicht zugänglich, das muß ich zugeben. Ich hatte jetzt so viel gelernt. Vielleicht verstand ich ein bißchen mehr von Juttas Einstellung; vielleicht empfand Jutta dasselbe wie Marc, vielleicht wollte sie auch kein Mitleid haben.
Es war schön, wieder jeden Tag im Auto zur Schule gebracht zu werden. Und jeden Tag, wenn ich in dem kleinen roten Wagen saß, wuchs mein Wunsch, selbst einmal so einen zu besitzen. Melitta kam brav und treu jeden Tag
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