Moni träumt vom großen Glück
Mülltonne
Das Telefon klingelte früh am Morgen. Ich lief hin.
„Oh, liebes Fräulein Hasseldorf“, sagte eine aufgeregte Stimme. Ich erkannte sie gleich. Es war Frau Harms, die Wirtin von Elmenfrieden. „Liebes Fräulein Hasseldorf, können Sie uns in einer schrecklichen Situation helfen? Wissen Sie, Fräulein Johannsen ist erkrankt, und ausgerechnet heute kriegen wir eine große geschlossene Gesellschaft. Es ist ein Betriebsfest. Wäre es Ihnen wohl möglich, sofort herzukommen? Selbstverständlich werde ich anständig zahlen. Können Sie das tun, Fräulein Hasseldorf?“
„Klar“, sagte ich. „Ich komme sofort. Ich muß mich eben schnell umziehen, dann springe ich aufs Rad.“
„Oh, Sie sind wirklich eine Perle, daß Sie mir aus der Klemme helfen. Gut, also kommen Sie. Tausend, tausend Dank!“
Mutti war nicht da. Sie hatte wieder Vormittagsdienst, und ich war allein zu Haus. So kritzelte ich nur ein paar Worte auf einen Zettel, legte ihn hin, und dann machte ich mich aus dem Staube.
Es war ein herrlicher Tag, Anfang August. Ich radelte so schnell wie ich konnte, aber zehn Kilometer sind nun immerhin eine tüchtige Strecke, und ich hatte Zeit zu überlegen, während ich radelte. Ich dachte selbstverständlich an Marc. Jetzt mußten seine Semesterferien angefangen haben. Ob er noch in Köln war? Was machte er? Ob er einen Sommerjob gefunden hatte? Er war an der Reihe zu schreiben. Ich hatte ihm vor einer Woche ungefähr einen langen Brief geschrieben. Ach, warum war er nicht ein bißchen näher? Allerdings sagte ich mir, wenn er nun hier gewohnt hätte, so wäre es fraglich, ob wir uns dann wirklich besser gekannt hätten als jetzt. Wir hatten uns eigentlich durch die Briefe so gut kennengelernt. Aber seit einem halben Jahr hatten wir uns nicht gesehen. Ich hätte ihn so schrecklich gern wiedergesehen! Würde es sich nicht irgendwie machen lassen?
Über dieses Problem dachte ich nach, während ich auf die Pedale trat. Und da tauchte Café Elmenfrieden auf.
Ich stellte das Rad hin und ging um das Haus, wie immer zum Kücheneingang. Als ich die Hand auf der Klinke hatte, wurde die Tür von innen aufgemacht. Da kam jemand raus mit einem vollen Abfalleimer in der Hand.
Gerade wollte ich zur Seite treten, um dem Kommenden freie Bahn zu lassen, da blieb ich stehen. Ich traute meinen Augen nicht. „Marc!“
Er stellte den Eimer hin. „Moni, bist du hier… jetzt… heute? Ich freue mich die ganze Zeit auf Freitag. Da erwartete ich dich hier…“
„Ich wurde gerufen wegen Krankheits-Ausfällen. Aber, Marc… seit wann, seit wann bist du hier?“
„Seit gestern erst. Moni, Liebes, wie geht es dir?“
Ich konnte mein eigenes Herz klopfen hören. Wußte er selbst, was er gesagt hatte? Wußte er, daß er „Moni, Liebes“ sagte?
„O Marc, es geht mir gut. Es geht mir nur gut, und gerade jetzt, gerade jetzt geht es mir extra gut! Marc, wie lange sollst du hier arbeiten? Wo wohnst du, und wieso bist du gerade hierher gekommen? Und…“
„Warte, warte“, sagte Marc. „Ich erzähle dir schon nachher alles. Gerade jetzt haben wir furchtbar viel zu tun in der Küche.“
Er nahm den Abfalleimer und ging über den kleinen Hof. Ich ging hinterher. Dann kippte er den Eimer aus, stellte ihn wieder hin, blieb einen Moment stehen, guckte mich an. Sein Gesicht war ein einziges Lächeln.
„Moni, du bist noch hübscher, als ich wußte. Wie hast du dich herausgemacht, Mädchen! Es ist herrlich, dich wiederzusehen.“
Komisch: Es gehörten also nicht unbedingt Mondschein und leise Musik dazu, verliebt und glücklich zu sein. Ich entsann mich nicht, jemals in meinem Leben so glücklich gewesen zu sein, wie in diesem Augenblick, als ich neben dieser stinkenden Mülltonne stand, die Augen auf Marcs lächelndes Gesicht gerichtet.
In der Küche wurde fieberhaft gearbeitet. Eine Menge Gemüse mußte geputzt werden. Oh, unsere gesegnete Wirtin, die gute Frau Harms. Sie fragte, ob ich wohl Herrn Becker beim Gemüseputzen helfen könnte. Und ob ich das könnte!
Gemüseputzen war nie meine Lieblingsarbeit gewesen, aber in dieser Stunde änderte sich meine Meinung: Gemüseputzen war eine wunderbare Arbeit. Da sitzt man in aller Ruhe. Man braucht gar nicht zu denken. Die Hände arbeiten automatisch, man kann sich unterhalten. Und wie dringend nötig hatten wir es, Marc und ich, uns zu unterhalten. Er erzählte mir, wie ihm der Gedanke gekommen war – als er sich in allem Ernst nach einem Sommerjob umsehen
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