Moni träumt vom großen Glück
Jedesmal bildete sich eine neue Reihe. Nein, machte das Spaß! – Ich war so eifrig, daß ich gar nicht merkte, wie die Tür hinter mir aufging. Erst als ich jemand „Guten Tag“ sagen hörte, drehte ich mich um und sah, daß Walter gekommen war.
„Nanu“, sagte er. „Seit wann haben wir Selbstbedienung im Hause?“
„Reg dich nicht auf“, sagte Jutta. „Mutti hat es uns selbstverständlich erlaubt, die Maschine zu benutzen. – Hast du Durst, Walter? Ich möchte uns gerade eine Tasse Kaffee machen. Trinkst du mit?“
Der Bruder beantwortete die Frage nicht. Er wandte sich an mich:
„Na ja, so kann man es auch machen. Sehr praktisch. So spart man das Geld für die Strickerin. Das Stricken ist ja sonst Muttis Beruf. Aber das weißt du vielleicht nicht.“
„Nun mach mal einen Punkt, Walter“, sagte Jutta. „Dies geht dich überhaupt nichts an. Und selbstverständlich erlaubt mir Mutti, daß ich Moni diesen winzigen Gefallen tue.“
„Bestimmt erlaubt Mutti das“, sagte Walter. „Aber ich darf vielleicht auch meine persönliche Meinung äußern: Ich finde, wenn ein Mädchen jedes Wochenende so viel Geld verdient, dann könnte sie es sich auch leisten, dafür zu zahlen, daß ihre Kleider gemacht werden.“
Jetzt war Jutta glühendrot vor Wut. Ich sprang auf… so schnell, daß meine Handtasche, die neben mir stand, umkippte und ihren ganzen Inhalt über den Fußboden ergoß. Gleich darauf lagen Jutta und ich auf den Knien und sammelten blitzschnell Portemonnaie, Taschentuch und Schlüsselbund und was sich sonst so in einer Tasche befindet, auf.
„Komm, Jutta“, sagte ich. „Du wolltest doch Kaffee machen. Ich komme mit dir in die Küche.“
Beinahe mit Gewalt schleppte ich sie mit. Ich hatte das Gefühl, daß sie kurz vor dem Platzen war, und Walter durfte nicht wissen, daß ich es war, die ihm damals geholfen hatte. Ich wollte vor allem nicht seine Dankbarkeit haben.
In der Küche legte ich meinen Arm um Jutta. „Immer mit der Ruhe, Jutta“, sagte ich. „Ich kenne ja Walter. So ist er immer zu mir gewesen. Warum, das ahne ich nicht.“
Jutta biß sich auf die Lippe. Tränen standen ihr in den Augen.
„O Moni, wenn du wüßtest, wie schrecklich es mir ist! Weißt du, ich fürchte, wenn du mich jetzt nicht mit hier rausgeschleppt hättest, dann wäre ich wohl geplatzt – trotz Ehrenwort, trotz allem.“
„Das darfst du nicht, Jutta, du würdest mir damit keinen Gefallen tun. Walters Unverschämtheiten kann ich aushalten, aber peinliche Dankbarkeitstränen weniger. Außerdem hätte er keinen Grund, dankbar zu sein. Ich habe es nicht seinetwegen getan. Das weißt du ganz genau. Zu neunzig Prozent habe ich es für deine liebe Mutter getan, zehn Prozent für dich.“
Jutta wischte schnell die Augen mit dem Handtuchzipfel.
„Schwamm darüber, Jutta“, sagte ich. „Erzähle lieber, wo die Kaffeemühle ist. Ich mahle schnell den Kaffee.“
Gerade als ich den gemahlenen Kaffee in den Filterbecher schüttete, ging die Tür auf. Da stand Walter. Ein ganz anderer Walter. Sein Gesicht war völlig verändert.
In der Hand hielt er ein kleines Büchlein. Ich erkannte es sofort. Es war mein Sparbuch.
„Hier, Monika“, sagte er. „Ich glaube, dies gehört dir.“ Ich riß das Buch an mich.
„Wie in aller Welt kommst du zu meinem Sparbuch?“
„Es lag auf dem Fußboden. Ist wohl aus deiner Tasche rausgeplumpst. Ich habe reingeguckt. Willst du mir etwas sagen, Monika? Warum hast du am 12. April neunhundertachtzig Mark abgehoben?“
„Das geht dich einen Dreck an“, sagte ich. „So antwortest du ja gewöhnlich, wenn man dich etwas fragt.“
„In diesem Falle geht es mich aber an.“ Er guckte mich an, kniff die Augen zusammen, schwieg einen Augenblick, dann sagte er:
„Warum in aller Welt hast du das getan?“
„Weil ich Lust hatte, und übrigens wiederhole ich: Das geht dich überhaupt nichts an!“
Jetzt war ich es, die ganz kurz vor dem Heulen war.
„Du erwartest wohl jetzt von mir, daß ich vor dir niederknie und meine Dankbarkeit ausdrücke?“
„Nein, das erwarte ich wahrhaftig nicht! Wenn du für einen Groschen Taktgefühl besäßest, dann hättest du erstens nicht hineingeguckt und zweitens, wenn du es schon tatest und entdecktest, nun ja, was du eben entdeckt hast, dann hättest du kein Wort gesagt, sondern mir das geschlossene Buch zurückgegeben.“
„So, das hätte ich? Du willst mir vielleicht weismachen, daß du dein Wissen für dich behalten hast. Wieviele
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