Monika B. Ich bin nicht mehr eure Tochter: Ein Mädchen wird von seiner Familie jahrelang misshandelt (German Edition)
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»Hast du deine Eltern denn schon gefragt?«, wollte Tante Susanne wissen.
»Ja«, sagte ich und hatte Tante Inge für einen Moment völlig vergessen. »Aber er hat’s noch nicht erlaubt.«
»Soll ich bei ihm ein gutes Wort für dich einlegen?« Tante Susanne lächelte.
So kam es, dass mein Vater mir einige Tage später erlaubte, nach Berlin zu reisen. Allerdings nur unter einer Bedingung: »Du musst brav sein bis zu deiner Abreise. Mach mir nur einmal Ärger, und die Chose platzt. Also, du hast die Wahl!«
Brav sein, das bedeutete, die Ledersachen wurden ausgiebig genutzt. Ich war brav und machte alles mit: Töchtertausch, Sexclubbesuche, fremde Männer, die für mich bezahlten. Ich war brav und weigerte mich nicht, schrie nicht, weinte nicht.
Ich war schreckhaft und übernächtigt. In keiner Nacht mehr Ruhe, nur Panik. Ich hatte auf Stefans Nachttisch ein Sexmagazin gefunden, dessen Titelstory von einem 16-jährigen Mädchen handelte, das nach der Schule Gruppensex machte und abends in dem Club, den auch ich mit meinem Vater besuchte, auf Männerfang ging. Von Angst getrieben, zerriss ich das Heft und ließ es im Müll verschwinden. Wer hatte es schon gelesen? Stefan, Boris, mein Vater?
Ich klammerte mich förmlich an Georg, nachts, wenn es überall zu stöhnen begann. Wie, wenn das verfluchte Heft Ideen geweckt hätte? Wenn sie verlangten, ich solle es nachmachen?
Meine Fress- und Brechsucht nahm kaum noch finanzierbare Ausmaße an. Meine Schulleistungen sackten in den Keller wie noch nie. Da ich nicht weinen durfte, war es wegen meiner Wutanfälle nicht mehr auszuhalten mit mir.
Ich begann mich zu kratzen, wo ich nur ging und stand. Es juckte und brannte überall auf meiner Haut. Mir war, als müsse ich fassweise Spülmittel über mich gießen, um einmal wieder sauber zu werden. Mein Magen übernahm es, um Hilfe zu schreien. Resultat war ein merkwürdiges anhaltendes Aufstoßen, das ich weder bei Tisch noch im Gespräch unterdrücken konnte. Ich hatte wohl zu viel hinuntergewürgt, das nun unverdaulich im Magen lag.
Tante Susanne sprach mich eines Tages darauf an. »Was ist dir denn zu Hause so zuwider, dass du es kaum noch bei dir behalten kannst? Willst du mir nicht verraten, was bei euch los ist?«
Das Geheimnis! Ich redete von zu viel Arbeit im Haushalt, erzählte, wir würden nie gelobt, keine Anerkennung finden. Aber von dem, was mir ernstlich im Magen lag, verlor ich kein Wort.
»Ich verstehe dich nur zu gut«, sagte Tante Susanne. »Bei uns zu Hause ging es ähnlich zu. Wir mussten auch immer Leistung bringen und funktionieren, ohne dass wir mal ein Lob bekamen. Das tut weh. Deine Mutter hat diese Dinge wohl am schlimmsten erlebt. Sie hatte es nicht leicht. Glaub mir, auf ihre Weise hat sie euch alle lieb. Sie kann es nur nicht so zeigen.«
Das böse Lachen, zu dem ich ansetzen wollte, schluckte ich hinunter.
»Ich mach dir einen Vorschlag, Monika«, fuhr Tante Susanne fort. »Schreib doch einmal alles ganz genau auf, was dich so stört. Nach ein paar Tagen prüfst du deine Liste, damit du dir darüber klar wirst, ob du nicht manches vielleicht zu eng gesehen hast. Und dann legen wir die Liste gemeinsam deinen Eltern vor. Ich rede mit ihnen. Du wirst sehen, alles wird gut.«
Bevor ich antworten konnte, kam Gott sei Dank Onkel Oskar nach Hause. Warum umarmte er Tante Susanne so ganz anders als mein Vater meine Mutter?
»Stell dir vor, wir hatten heute einen Fall von Inzest vor Gericht«, sagte Onkel Oskar und zog Tante Susanne mit sich. Er hatte mich anscheinend noch gar nicht entdeckt. »Wie kann ein Mann seinem eigenen Kind nur so etwas antun?«
Inzest. Das, was Papa mit mir tat, hatte also einen Namen. Und es stimmte, was Georg mir mal gesagt hatte: Wer so etwas tat, kam vor Gericht und wurde bestraft.
Tante Susanne sah krank aus. »Diese Kopfschmerzen«, klagte sie leise und drückte die Finger an die Schläfen. »Ich habe das Gefühl, sie werden von Tag zu Tag schlimmer.«
Arme Tante Susanne! Wie mitgenommen sie plötzlich aussah, als sie ins Badezimmer ging, um eine Tablette zu schlucken.
Onkel Oskar blickte ihr besorgt hinterher. Jetzt erst fiel sein Blick auf mich. »Ach, du bist da. Guten Tag, Monika. Wie geht’s? Bisschen grün um die Nase. Dir ist doch nicht schlecht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Du, Onkel Oskar«, sagte ich, »wenn da ein Mädchen ... ich meine, aus unserer Stadt, aber das ich nicht kenne ... Wenn also so eine mit ihrem Vater Dinge tun muss,
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