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Monika B. Ich bin nicht mehr eure Tochter: Ein Mädchen wird von seiner Familie jahrelang misshandelt (German Edition)

Monika B. Ich bin nicht mehr eure Tochter: Ein Mädchen wird von seiner Familie jahrelang misshandelt (German Edition)

Titel: Monika B. Ich bin nicht mehr eure Tochter: Ein Mädchen wird von seiner Familie jahrelang misshandelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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mit einem graugrünen Schimmer. Ob ich mir vielleicht einmal Lidschatten auftrage? Es gibt so schöne Farben, die zu meinen Augen passen würden. Und ich male für mein Leben gern.

XIV
    Schon als Kind malte ich sehr gern. Nirgends konnte ich dies ungestörter tun als bei Tante Inge. Zeichenblock und Stifte gab es bei ihr immer, und wenn ich mit Tuschfarben malte, brauchte ich nie zu fürchten, dass irgendjemand mein Pinselglas mit Wasser umwerfen würde.
    »Was soll denn das werden?«, fragte sie eines Nachmittags, als sie mir, während sie Geschirr abtrocknete, über die Schulter guckte. »Ein Baum?«
    »Nee«, sagte ich und ließ den Pinsel mit der schwarzen Wasserfarbe übers Papier huschen. »Ein Mann.«
    Meine Tante hielt verwundert inne. »Ein schwarzer Mann? Ah – der Schornsteinfeger? Der braucht aber eine Leiter.«
    »Nee«, sagte ich. »Papa.«
    Tante Inge lachte nachsichtig. »Aber der ist doch nicht schwarz!«
    »Er macht Sachen mit mir«, sagte ich.
    »Sachen?« Meine Tante griff nach einem weiteren Teller. »Du meinst Spiele?«
    »Komische Spiele«, sagte ich.
    Tante Inge stellte einen Stoß Teller in den Küchenschrank. »Kannst wohl nicht verlieren?«, lachte sie. »Aber wenn einer spielt, muss er auch mal verlieren. Das ist eben so. Da kann man nichts machen.«
    »Er fasst mich an«, sagte ich.
    »Na und?« Sie schüttelte irritiert den Kopf. »Schließlich ist er doch dein Vater.«
    »Da unten«, sagte ich. »Das tut so weh.«
    Tante Inge schnappte nach Luft. »Er tut was?«
    »Er steckt sein Ding in mich rein«, sagte ich mit gesenktem Blick. Ich konnte meine Tante nicht anschauen. »Und dann pisst er mich an.«
    Sie stand da wie erstarrt und sagte kein Wort. Obwohl mir schwindlig im Kopf war vor Angst, musste ich zu ihr aufsehen. Sie war kreidebleich und stierte mich fassungslos an.
    »Das ist ja ungeheuerlich!«, flüsterte sie plötzlich. »Das ist ja ungeheuerlich!« Dann schrie sie: »Du lügst! Wie kannst du nur so unverschämt lügen!«
    Mir schossen die Tränen in die Augen. »Ich lüge nicht«, sagte ich und hielt die Hand vor den Mund, um das Schluchzen zurückzuhalten. »Es ist nicht gelogen. Es ist wahr! Es ist wahr! Es ist wahr!«
    »Nein!«, schrie Tante Inge.
    Sie sah in diesem Moment aus, als könne sie mich erschlagen. So wie Papa, bevor er auf Mama losging. Instinktiv duckte ich mich und schützte mein Gesicht mit den Armen.
    Aber meine Tante rührte sich nicht. »Keine Angst«, sagte sie, und ihre Stimme machte mir Angst. »Eine, die so lügt, fasse ich nicht an – nicht mal mit der Kneifzange. Schämst du dich nicht, etwas so Widerliches zu erfinden? Nimm das zurück, Monika! Entschuldige dich! Sag, dass du gelogen hast!«
    Ich bekam keine Luft mehr. Noch heute kann ich mich ganz genau erinnern, wie dick meine Zunge im Mund lag. Ich bekam keinen Ton mehr heraus. Aber ich schüttelte den Kopf.
    Tante Inge wandte sich ab. »Welcher Teufel ist nur in dich gefahren, dass du so ein verstocktes, böses Ding geworden bist?«
    Ich antwortete nicht. Ich konnte nicht antworten. Die Scham quetschte mir den Hals zu.
    Tante Inge sah mich an, als gäbe sie mir im Stillen eine letzte Chance, bis sie bis zehn gezählt habe. Die Sekunden dehnten sich mir zu Stunden. Dann endlich sagte sie mit schneidender, eisiger Stimme: »Etwas so Ungeheuerliches kann ich so nicht im Raum stehen lassen, Monika.« Sie begann wieder abzutrocknen. »Ich werde mit deinem Vater reden. So geht es nicht weiter. Ich habe mir deine Lügen lange genug angehört. Du wirst deine ganze Familie noch ins Unglück stürzen mit deiner verlogenen Fantasie. Das geht zu weit!«
    Mir war schlecht. Ein saurer Geschmack stieg in meinen Mund auf.
    »Und ich sage dir nur noch eines, Fräuleinchen!«, fuhr sie fort. »Lass diese dummen Lügengeschichten nur ja niemanden mehr hören! Wenn du irgendjemand anderem auch nur ein einziges Mal von diesem ungeheuerlichen Quatsch erzählst, will ich nichts mehr mit dir zu schaffen haben. Nie mehr, verstehst du!«
    Sie sagte das mit so eiskalter Stimme, dass mich fröstelte. Wenn sie wie vorher geschrien, mich angebrüllt, mir eine runtergehauen hätte, wenn sie irgendwie ausgerastet wäre, Gefühle gezeigt hätte – vielleicht wären ihre Worte weniger schlimm, weniger zerstörerisch für mich gewesen. So aber begriff ich mit einem Schlag, dass sogar ein Mensch, der so gut zu mir war wie Tante Inge, mich hassen musste, sobald ich ihm erzählte, was mein Vater mit mir tat. Ich begriff, dass

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