Monkeewrench 03 - Mortifer
würde er nach China auswandern. Doch es waren verdammt viele, sie waren gut organisiert, und sie waren schwer bewaffnet. Es war irgendeine Armee, so viel stand fest. Irgendjemandes Armee.
Er rieb sich mit der Hand über die Stirn in dem Versuch, einen klaren Kopf zu bekommen. Denk nach, Lee. Denk! Du sitzt hier tief in der Scheiße. Wenn sie dich an der Straßensperre schon erledigen wollten, dann wollen sie das jetzt erst recht. Gütiger Gott, du hast einen von ihnen erschossen!
Die Erinnerung betäubte ihn für einen Moment, und er starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere, bevor er wieder zu sich kam und blinzelte.
Spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Denk nicht darüber nach. Mit der rechten Hand fummelte er an seiner Seite herum, bis er sein Halfter ertastete, und er seufzte erleichtert auf. Gott sei Dank. Wenigstens hatte er genügend Verstand besessen, seine Waffe zu behalten.
Dann plötzlich stockte er. Was jetzt? Was zur Hölle sollte er jetzt tun?
Von hier verschwinden natürlich. Weg von diesen Irren und die Zentrale alarmieren. Meine Güte, Dorothy würde einen Herzinfarkt kriegen! Hey, Dot, ich hab hier draußen bei Four Corners eine Armee, die mich mit Automatikwaffen jagt und versucht, mir das Gehirn wegzublasen. Kannst du mir bitte Verstärkung schicken, Dot?
Er kicherte leise, dann schloss er den Mund, erschrocken über das Geräusch. Es klang irre.
Komm zu dir, Lee. Paula wartet auf dich.
Der Gedanke an seine Frau betäubte ihn vorübergehend erneut. Oje, die arme Paula. Schon zwei Uhr. Sie ist wahrscheinlich halb verrückt vor Sorge und macht der Funkzentrale die Hölle heiß … oh, wart mal. Lee, du dämlicher Idiot, natürlich! Paula hat wahrscheinlich schon vor Stunden dort angerufen. Inzwischen ist wahrscheinlich die gesamte Dienststelle auf den Beinen und sucht nach dir … Scheiße. Er musste von hier verschwinden. Er musste sich zu einem Highway durchschlagen, wo man ihn finden konnte … doch dazu musste er zuerst an den bösen Jungs vorbei, und das Problem bei der Sache war, dass er keine Ahnung hatte, wo zur Hölle sie steckten.
Schon fünfzehn Minuten verloren, dachte Grace, als sie sich endlich den Hang hinauf in Richtung Koppel in Bewegung setzten. Fünfzehn ganze Minuten, während deren sie überlegt und beratschlagt und sich über den Zeitplan einig geworden waren, und wenn der Plan dieses Colonels aufging und die Laster mit dem Gas hochgingen und sie fünfzehn Minuten zu spät kamen, um tausend Menschen zu retten, wie zur Hölle sollten sie mit dieser Schuld weiterleben?
Nach der Illusion von Deckung zwischen dem See und dem flachen Hügel, der hinauf zur Koppel führte, fühlte sie sich hier oben am Kamm gefährlich ungeschützt. Den anderen ging es nicht anders. Sie eilten hastig weiter und kauerten sich in das hohe Gras neben dem Traktor, außer Atem, mit offenem Mund nach Luft hechelnd, während sie angestrengt lauschten und um sich spähten. Doch es gab nicht das geringste Geräusch und nicht die kleinste Bewegung in der toten Landschaft. Die Hitze staute sich in der reglosen Luft ringsum, als hätte jemand einen großen, alles erstickenden Deckel über der Welt zugeklappt.
Es ist alles in Ordnung, sagte sich Annie immer wieder. Er hat gesagt, die Stadt wäre unsere für die Nacht, und er wusste nicht, dass wir ihn belauschen, warum also sollte er lügen? Es war kein Trick, es war kein Trick, die Soldaten warten tatsächlich auf den Einbruch der Morgendämmerung, irgendwo dort draußen bei ihrem Kordon. Es ist sicher, wir können uns ungestört bewegen. Mehr noch – wir müssen uns bewegen. Wir haben eine Aufgabe zu erledigen, und man soll nie auf den nächsten Tag verschieben, was man an diesem Tag besorgen kann, und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben und … und … Leere Sinnsprüche füllten ihre Gedanken wie ein Verkehrsstau aus Worten.
Endlich richtete sich Grace beim Traktor auf und eilte geduckt an der rechten Seite des Koppelzauns entlang in Richtung Stall. Sharon und Annie folgten ihr schweigend. Die Frauen hielten den Blick von den entsetzlichen Dingen abgewandt, die aus dem Boden der Koppel ragten wie eine Saat des Grauens.
Einmal sah Annie zur offenen Stalltür und erhaschte einen kurzen Blick auf die schmutzigen eisernen Kummete an den rauen Holzpfeilern, auf denen sich das Mondlicht fing.
Grauenvolle Dinger, dachte sie und stellte sich vor, wie es sein musste für ein Rind, wenn es zum ersten Mal diesen Kragen umgelegt bekam,
Weitere Kostenlose Bücher