Monkeewrench 04 - Memento
sind.»
«Jep.»
«Wann haben Sie denn angerufen?»
«Hab ich nicht.»
«Und warum nicht?»
«Bin nicht dazu befugt.»
Iris seufzte entnervt und wünschte, sie hätte die eine oder andere ruhige Nacht in der Zentrale damit zugebracht, das Dienststellenhandbuch zu lesen. Falls es so etwas überhaupt gab. «Und wer ist dazu befugt?»
«Der Sheriff.»
Einen Augenblick schloss Iris die Augen, dann kramte sie ihr Handy aus der Anoraktasche. «Also gut. Wen rufe ich an, und wie lautet die Nummer?»
Mit seinen schweren Schnürstiefeln, die offensichtlich sehr viel wärmer waren als ihre, trat Sampson ein bisschen Schnee beiseite. «Also, ich würde in Minneapolis anrufen und nach Detective Magozzi oder Detective Rolseth fragen. Die waren gestern bei den Schneemännern im Park vor Ort. Aber das machen Sie besser vom Festnetz, vor allem bei dem Wetter. Ich musste schon nach drinnen gehen, um Sie anzurufen.»
«Gut. Sagen Sie mir noch kurz, ob Sie der zuständige Mordermittler unserer Dienststelle sind.»
«Nein.»
«Nun, wer immer es ist, sorgen Sie dafür, dass er herkommt und den Tatort begutachtet.»
«Der Mordermittler ist schon hier.»
Iris sah zu den beiden Deputys hinüber, die gerade mit Absperrband ein rechteckiges Gebiet um den Schneemann abriegelten. «Und wer ist es?»
Diesmal drehte Sampson den Kopf ganz herum und sah sie direkt an, sodass sie zum ersten Mal sein Gesicht sah. Er lächelte ganz leicht. «Sie, Sheriff Rikker.»
KAPITEL 11
Magozzi wachte um fünf Uhr morgens vom Eisregen auf, der an sein Schlafzimmerfenster schlug. Er drehte sich auf die andere Seite und zog sich die Kissen über die Ohren, um das Geräusch auszusperren. Dann fiel ihm wieder ein, dass da draußen jemand Polizisten umbrachte und in Schneemänner packte.
Eine halbe Stunde später stand er geduscht und angezogen in der Küche, briet sich ein Rührei und Frühstücksspeck in der Pfanne und versuchte, nicht auf den Prediger zu achten, der auf dem Bildschirm erschienen war, als er den Fernseher eingeschaltet hatte. Sonntagmorgen, so ein Mist. Selbst in diesem Staat voller Nachrichten- und Wetterbericht-Junkies führte die Religion einmal in der Woche das oberste Regiment auf den Fernsehkanälen, und wenn man wissen wollte, ob über Nacht die Welt untergegangen war, musste man gefälligst warten, bis die Männer in den schwarzen Gewändern in Ruhe verkündet hatten, dass Gottes Liebe allgegenwärtig sei. Magozzi vermutete, dass keiner dieser Typen je die Nachrichten sah.
Beim Essen zappte er durch die Programme, bis er einen lokalen Nachrichtensender fand, der allerdings kaum mehr zu bieten hatte als das Material vom Abend zuvor. Allerdings hatten inzwischen ein paar Kabelnachrichtensender die Geschichte aus Minneapolis aufgegriffen, hauptsächlich, weil das Filmmaterial so gut war. Magozzi sah ein paar verwackelte Amateurvideos, die er noch nicht kannte - die Bürger fingen also bereits an, Kapital daraus zu schlagen, dass sie erst ihre fröhlichen Kinder beim Schneemannbauen gefilmt hatten und anschließend das MPD, das all die Schneemänner auf der Suche nach Leichen wieder kaputt
schlug. Magozzi schob den Teller beiseite und wischte sich mit der Serviette den Mund ab.
Von draußen hörte er das Rumpeln und Scharren der städtischen Schneepflüge und Streufahrzeuge, und er spürte die altbekannte leise Enttäuschung, die sich auch nach fast dreißig Jahren noch gehalten hatte. In seiner Kindheit hätte ein Schneesturm wie der gestrige die Stadt mindestens einen, vielleicht sogar zwei Tage lang lahmgelegt: wundervolle, unerwartete Ferientage, die alle ans Haus fesselten und die Uhren um mindestens hundert Jahre zurückzudrehen schienen. Die Väter zogen ihre Kinder auf Schlitten mitten auf der Fahrbahn entlang, die Mütter blieben zu Hause, buken Plätzchen und bereiteten riesige Töpfe hausgemachter Suppe zu, und überall roch es nach nassen Wollhandschuhen, die auf den Heizkörpern trockneten. Irgendwann hörte man dann das gefürchtete Brummen der großen Räumfahr- zeuge, die die Schneepflüge vor sich herschoben. Die Eltern blickten erleichtert drein, weil endlich wieder Normalität einkehren würde, und die Kinder stöhnten und murrten und beeilten sich, die liegengebliebenen Hausaufgaben fertig zu machen.
Seit damals hatte das städtische Verkehrsamt einige Fortschritte gemacht, und inzwischen wurde man in Minneapolis spielend mit praktisch allem fertig, was die Natur zu bieten hatte. In dieser Stadt wurden
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