Monkeewrench 04 - Memento
Fürbitten und gute Wünsche sie wirklich geschlossen hielten, und selbst die waren machtlos gegen starken Wind. Letzte Nacht war der Wind ausgesprochen stark gewesen, dabei musste wohl auch die Tür aufgesprungen sein. Eine absolut logische Erklärung. Warum also hatte Iris plötzlich feuchte Hände?
Kümmer dich nicht darum. Tu einfach so, als hättest du gar nichts bemerkt.
Ein großartiger Gedanke, der ihr wirklich gut gefiel. Nur sammelte sich leider schon jetzt eine eisige Mischung aus Schnee und Graupel unter der Tür. Wenn das noch ein paar Stunden so weiterging, würde sie am Boden festfrieren und sich den ganzen Winter über nicht mehr schließen lassen, und der Schnee würde ins Innere der Scheune vordringen. Sie hätten das Bett niemals dort einlagern dürfen.
Das Bett war das einzige materielle Gut, an dem Iris wirklich hing: ein Himmelbett aus der Zeit des Bürgerkriegs, das sich schon seit hundertfünfzig Jahren im Besitz ihrer Familie befand. Jetzt stand es in dieser zugigen alten Scheune, die jünger war als es selbst, weil es zu groß war und nicht durch die Haustür gepasst hatte. Es war immer noch in die Umzugsdecken gewickelt und mit schweren, gepolsterten Planen sorgfältig abgedeckt, doch Iris war sich sicher, dass es altem Walnussholz nicht gerade gut tat, dem Schneetreiben ausgesetzt zu sein, und auch die Matratze würde vermutlich darunter leiden.
Dreißig Sekunden, länger dauert das doch nicht. Höchstens eine Minute.
Trotzdem blieb sie am Steuer sitzen und sah im Licht der Scheinwerfer dem Schneeregen zu, und ihr dummes kleines Herz hämmerte vor sich hin, bis sie sich schließlich richtig albern vorkam.
Sie stieg rasch aus dem Wagen, kämpfte sich durch den kniehohen Schnee und trat das Eis weg, das sich bereits unter der Tür gebildet hatte. Nachdem sie es so weit entfernt hatte, dass die Tür sich wieder schließen ließ, trat sie hinein in die dunkle Höhle und tastete nach ihrer Taschenlampe, die natürlich noch auf dem Beifahrersitz des Wagens lag.
Sie fluchte leise, beschloss dann aber, dass sie einen so großen Gegenstand wie das Bett auch im Dunkeln finden würde, und tastete sich langsam voran. Sie hörte das Rascheln ihrer Stiefel im Stroh, das Knarzen der alten Bodendielen als Antwort auf einen neuen Windstoß, den sie hier drinnen nicht spürte, und das zufriedene Gurren der
Tauben oben auf den Dachbalken. Sie hörte auch das Knacken und Stöhnen der alten Holzplanken, die sich über den Wind beschwerten, und versuchte, einen Wohlklang darin zu finden, doch im Grunde war es nur wie die gänsehauterregende Tonspur zum Spukhaus in einem Horrorfilm.
Schließlich spürte sie das Bett unter den Händen, die dicken Umzugsdecken, die noch fest um die Beine gewickelt waren, die Matratze abdeckten und sich um die Seitenteile schmiegten. Rasch hatte sie die Stelle gefunden, wo der Wind das dicke Sackleinen verschoben und ein Stück Matratze freigelegt hatte.
Sie zog einen Handschuh aus und atmete erleichtert auf, als sie merkte, dass die Matratze noch trocken war. Dann zog sie die Abdeckplanen an ihren Platz zurück und machte sich auf den Rückweg zu ihrem Wagen.
Hinter ihr in der Scheune, unter den Schichten von Sackleinen auf dem Bett, öffneten sich zwei Augen in der Dunkelheit.
KAPITEL 10
Trotz Allradantrieb brauchte Iris deutlich mehr als eine halbe Stunde für die knapp fünfundzwanzig Kilometer Landstraße bis zur Abzweigung an der Kittering Road. Lieutenant Sampson, wer immer er sein mochte, hatte recht gehabt mit den Straßen. Sie waren mit einer spiegelglatten, frischen Eisschicht überzogen, und jetzt fielen auch noch dicke weiße Flocken aus der Dunkelheit und landeten auf Iris' Windschutzscheibe. Noch zehn Zentimeter Schnee, bevor die Herrlichkeit vorbei war, verkündete der Radiosprecher mit der perversen Freude eines Einheimischen.
Die alteingesessenen Bewohner von Dundas County betrachteten ihren Bezirk gern als das Grenzland von Minnesota. Hundert Kilometer weiter südlich lockten die Twin Cities Minneapolis und St. Paul und zogen die Schulabgänger wie billige Huren in ihren Bann. Doch nur einen Schritt über die nördliche Grenze des Verwaltungsbezirks, und man traf mindestens so viele Bären und Kojoten an wie Pendler.
Inzwischen kamen die modernen Siedler natürlich auch hierher. Das einsame Land zu beiden Seiten des Freeway belebte sich zusehends, und irgendwann würden die Hobby-Farmer in ihren Armani-Anzügen auch bis in den hohen Norden
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