Monkeewrench 04 - Memento
die Straßen, Gehwege und Parkplätze schneller geräumt als irgendwo sonst im ganzen Land, und Magozzi konnte sich nicht erinnern, wann Schulen und Betriebe zum letzten Mal auch nur einen Tag, geschweige denn zwei, geschlossen gewesen waren. Der Fortschritt, fand er, hatte nicht nur Vorteile.
Als er schon fast aus der Tür war, rief Gino an. «Was hast du heute vor?»
«Ich wollte mir gerade ein paar Kinder suchen, die ich auf dem Schlitten hinter mir herziehen kann.»
«Die bringst du doch nur um. Das ist eine einzige Eisfläche da draußen. Komm lieber zur Arbeit. Malcherson will uns beide in seinem Büro sehen, sobald du da bist.»
«Wo bist du denn?»
«Ich fahre gerade auf den Parkplatz, der für einen Sonntagmorgen übrigens ganz schön voll ist.»
«Ich bin in zwanzig Minuten da.»
«Schaffst du nicht, zumindest nicht mit heilen Knochen. Das Zeug, das die immer auf die Straße tun, damit das Eis schmilzt, funktioniert heute wohl nicht so richtig. Ich hab mich auf dem Freeway einmal um mich selbst gedreht, und auf der Washington bin ich über grob geschätzt vier rote Ampeln gerauscht. Ich schwöre dir, vor der Schneeschmelze im Frühling kriegst du mich in kein Auto mehr. Zieh dir ein Paar Stiefel an. Es soll noch weiter schneien.»
Chief Malcherson war die perfekte Verkörperung des stoischen, skandinavischen Vernunftmenschen aus Minnesota. Vermutlich besaß auch er Gefühle, doch falls dem so war, hielt er sie strikt von der Öffentlichkeit fern. Heute allerdings stand ihm der herbe Schlag, zwei Männer verloren zu haben, förmlich in das stets miesepetrige Gesicht geschrieben. Die schlaffe Haut um seine wehmütigen Augen und die eindrucksvollen Bluthund-Backen schienen seit der Pressekonferenz noch ein paar Zentimeter weiter abgesackt zu sein, als hätte er sich die ganze Nacht mit der Hand über das Gesicht gestrichen. Als Magozzi und Gino sein Büro betraten, sah er kaum von den Papieren auf seinem Schreibtisch auf. «Guten Morgen, Detectives. Bitte nehmen Sie doch Platz.»
Selbst Gino, der sonst keine Gelegenheit zu einer Bemerkung über den Kleidungsstil seines Vorgesetzten ausließ, gab sich heute zurückhaltend und respektvoll und kam gleich auf das Wesentliche zu sprechen. «Morgen, Chief.
Das mit der Pressekonferenz haben Sie gestern gut hingekriegt. War sicher nicht leicht, die Ruhe zu bewahren, während ein Haufen Reporter versucht, Ihnen die Eier abzureißen.»
Malcherson ging nicht darauf ein. Er wusste, wenn er anfing, zu genau über Detective Rolseths Komplimente nachzudenken, würde er ihn irgendwann feuern müssen.
«Bei diesem Fall ist absolute Eile geboten, Detectives. Die Presse hat sich schon tief in das Serienmörder-Szenario verbissen, wir müssen uns also damit auseinandersetzen und diese Möglichkeit hoffentlich bald ausschließen. Unglücklicherweise finde ich in Ihren Berichten von gestern keinerlei Anhaltspunkte für das Gegenteil.»
«Wir auch nicht, Chief», sagte Gino. «Trotzdem kann es auch ein nachtragender Ex-Knacki sein, wie Sie gesagt haben, oder irgendein Verrückter aus einer Anstalt oder sonst irgendwas. Serienmörder sind nicht die einzigen Spinner, die es gibt. Die Presse hängt sich nur daran auf, weil es die Einschaltquoten hochtreibt. Und genau das ist der Unterschied zwischen uns und denen: Die ziehen voreilige Schlüsse, wir müssen warten, bis wir Tatsachen haben.»
Malcherson nickte, klappte den Ordner mit den Berichten vom Vortag zu und verstaute ihn in einer Schublade. Auf seinem jungfräulichen Schreibtisch befand sich nichts, was er nicht gerade im Augenblick brauchte, nicht einmal Familienfotos - die standen alle hübsch angeordnet in ihrem eigenen Fach im Bücherregal. «Haben Sie heute schon etwas Neues für mich?»
Magozzi nickte. Er legte einen dicken Pappordner auf den Schreibtisch und hatte fast ein schlechtes Gewissen wegen der Unordnung, die er damit verursachte. «Das sind Kopien der vorläufigen Berichte der Gerichtsmedizin und der Spurensicherung.»
Malcherson warf einen müden Blick auf das viele Papier.
«Könnten Sie die neuen Informationen vielleicht kurz für mich zusammenfassen?»
Magozzi schlug seinen eigenen Ordner auf und ging die einzelnen Punkte durch. «Alle Kugeln am Tatort stammen aus einer .22er, die ballistische Analyse läuft noch. Gegen Mittag dürften wir da mehr wissen. Es gibt ein paar Spuren, aber Jimmy Grimm macht sich keine großen Hoffnungen, dass etwas dabei herauskommt, weil beide Fundorte längst
Weitere Kostenlose Bücher