Monkeewrench 04 - Memento
McLarens Gesichtszüge entgleisen und verdrehte ein wenig die Augen. «Also ehrlich, Johnny. Warum machst du das immer? Wenn bei einem von uns ein Hautstückchen am Fingernagel absteht, schläfst du eine Nacht nicht, weil du glaubst, es bilden sich fleischfressende Bakterien oder so was. Du musst damit aufhören, sonst drehst du irgendwann noch durch. Mir geht es bestens. Ich mache mir nur Sorgen um Steve.»
«Oh. Gut. Wer ist Steve?»
Tinker fasste die Ereignisse kurz für ihn zusammen, und Johnny hörte schweigend zu. Er gab sich Mühe, sich die Freude darüber nicht anmerken zu lassen, dass nicht Tinker, sondern nur einer seiner Freunde in Schwierigkeiten war. Als Tinker ihm das Foto der misshandelten Exfrau unter die Nase hielt, schnappte er nach Luft.
«Mein Gott. Und den haben sie wieder rausgelassen?»
«Genau.»
«Und jetzt ist der Einzige, der weiß, wo die Frau sich aufhält, der Typ, der ihr das angetan hat?»
«Korrekt.»
«Wer ist dafür zuständig, sie zu finden?»
Tinker zuckte die Achseln. «Bis ich das in Erfahrung gebracht habe, hockt der Kerl längst in Julie Albrights Garten. Ich habe Tommy Espinoza darauf angesetzt. Er hackt sich jetzt gerade in ein paar gesicherte Websites und verstößt gegen alle möglichen Gesetze, um sie zu finden. Falls er es nicht schafft, ruft er die Leute von Monkeewrench an.»
«Dann können wir also nur warten. Und was ist mit deinem Freund?»
«Da heißt es auch warten. Es wirkt alles sehr verdächtig, aber mit dem, was ich gesehen habe, kann man nicht arbeiten. Ich habe die Spurensicherung dazugeholt, vielleicht können die ja noch was aus dem Hut zaubern. Mutmaßlicher Mord, habe ich behauptet, obwohl das nach der Indizienlage ziemlich unwahrscheinlich ist. Dafür kriege ich sicher noch eins auf den Deckel.» Er zuckte zusammen, als das Telefon klingelte, und hatte den Hörer schon in der Hand, ehe McLaren sich auch nur bewegen konnte. Tinker hatte gehofft, Espinozas Stimme zu hören oder auch jemanden von der Spurensicherung, doch es war nur Evelyn vom Empfang. Er brachte ein paar Minuten damit zu, sie zu beruhigen - seltsam, dass er immer noch so gut darin war, andere zu beruhigen, während er selbst das Gefühl hatte, gleich explodieren zu müssen -, dann legte er auf. «Die Schneemann-Anrufe reißen nicht ab», informierte er McLaren. «Und Evelyn hat kein Valium mehr.»
McLaren zuckte nur die Achseln. «Das geht schon den ganzen Tag so. Irgendein Kind baut einen Schneemann im Vorgarten, zehn Sekunden später wählen die Nachbarn 9-1-1 und verlangen, dass ein Einsatzteam ihn kaputt schlägt. Es könnte ja eine Leiche drin sein. Und weißt du, wie viele Schneemänner die Kinder in dieser Stadt nach solchen Schneefällen bauen?»
«Wahrscheinlich ziemlich viele ... »
«Du machst dir keine Vorstellung. Dann sind da noch die Paranoiker mit Eigeninitiative, die den Schneemann der Nachbarskinder eigenhändig zerstören. Daraufhin flippen die Kinder aus, die Eltern werden fuchsteufelswild und wollen die Nachbarn einsperren lassen, wegen Hausfriedensbruch, mutwilliger Zerstörung von Privateigentum, Traumatisierung der Kinder und was weiß ich noch allem. In der Notrufzentrale fahren sie schon Doppelschichten und sind immer noch total überlastet. Und wehe, irgendein armer Kerl versucht mal wirklich einen Notruf durchzugeben.»
Tinker atmete tief durch und schaltete von den Gedanken an Steve Doyle und Julie Albright zurück zu der Aufgabe, die er heute eigentlich zu erledigen hatte. «Wo sind denn eigentlich alle? Ich dachte, wir hätten heute die Bude voll.»
McLaren ging zurück zur Kaffeemaschine. «Haben wir auch. Alle im Einsatz. Die meisten sind unterwegs, quetschen Informanten aus und führen die letzten Befragungen mit Leuten, die gestern im Park waren, ein paar hocken in diversen abgedunkelten Zimmern irgendwo hier im Haus und schauen sich Nachrichtenfilme an und tonnenweise verwackelte Amateurvideos von rotgesichtigen Kindern, denen der Rotz aus der Nase läuft, was eine einzige Zeitverschwendung ist, wenn du mich fragst. Der Täter hat doch bestimmt nicht gewartet, um mit aufs Familienfoto zu kommen.»
«Die ganz Perversen machen auch das.» Tinker stand auf, um endlich den Mantel auszuziehen, hängte ihn auf und schob den unwillkürlichen Gedanken an Steve Doyles Mantel beiseite, der in seinem leeren Büro gehangen hatte.
«Ja, ich weiß. Es muss sein, aber es nervt.»
«Und wo sind Magozzi und Gino?»
McLaren sah ihn einen Moment lang
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