Monkeewrench 06 - Todesnaehe
Krieger kämpft für seinen Stamm. Das weißt du aus eigener Erfahrung, Chimook. Außerdem hängen die Somalier da knietief mit drin, und mit denen haben wir diverse Rechnungen offen. Mit der Entführung der Mädchen aus Salt Lake haben sie allen Indianern den Krieg erklärt.»
Claude senkte den Blick. Er entdeckte einen losen Stein, der den Fesseln aus Eis und Schnee irgendwie entkommen war, kickte ihn weg und sah ihm nach, wie er über den Weg hüpfte und im Schnee eine ungleichmäßige Spur hinterließ. «Ich kann immer noch nicht glauben, dass Joey das getan haben soll», sagte er. «Was hat er sich nur dabei gedacht?»
Keine Antwort. Stattdessen blieb der Chief wie angewurzelt stehen und hob die Hand. Er legte einen Finger an die Lippen und deutete in eine Richtung.
Claude spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Er rechnete schon mit einem Hinterhalt verfrorener, stinksaurer und bis an die Zähne bewaffneter Terroristen, doch dann sah er ein paar Meter vor ihnen nur ein Kaninchen, das dichte graue Fell voll Schnee. Seine Ohren zuckten, es schien sie zu hören, obwohl sie sich gar nicht rührten. Gleich darauf hoppelte es blitzschnell quer über die Straße und brachte sich zwischen den Bäumen in Sicherheit. «Mein Gott, ist doch nur ein Hase», brummte Claude. «Von denen wimmelt es hier.»
Der Chief nickte und ging weiter auf das Hotel zu. Vom Verstand her wusste er natürlich, dass Claude recht hatte: Es wimmelte hier nur so von Hasen. Doch seine andere Gehirnhälfte dachte an den Traum von Waboo, der über den eisigen Waldboden gehoppelt und dann stocksteif sitzen geblieben war, weil die Kojoten immer näher kamen.
KAPITEL 46
G race und John standen nebeneinander auf der Veranda, fast bis zur Unkenntlichkeit vermummt mit schweren Jacken aus dem Ausrüstungsschrank der Jagdhütte.
«Wir sollten lieber nicht hier draußen rumstehen. Vor allem du nicht.»
«Wir hatten noch gar keine Gelegenheit zum Reden.» John sah sie nicht an. Er hielt die Augen auf den dichten Wald ringsumher gerichtet, versuchte, die Indianer zu entdecken, die laut Aussage des Chiefs die Hütte bewachten.
«Ja, ich weiß», sagte Grace. «Das Boot fehlt mir.»
«Es tut mir alles so leid, Gracie. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr.»
«Du kannst nichts dafür. Hast du mir das nicht selbst immer wieder gesagt? Manche Dinge kann man eben einfach nicht steuern. Quäl dich nicht deswegen.»
Er betrachtete das Geländer, das von einer dünnen Eisschicht bedeckt war. «Du warst schon immer gut darin, mich mit meinen eigenen Worten zu schlagen. Ich sehe da draußen übrigens niemanden, du vielleicht?»
Grace fuhr sich mit der Hand durchs Haar, das noch feucht war vom Duschen. In der Karibik war der Kurzhaarschnitt großartig gewesen, aber in Minnesota passte er nicht.
John sah zu ihr hin. Wenn sie zählte, bewegte sie immer unwillkürlich die Lippen. Ob das außer ihm wohl noch jemand wusste?
«Zwölf», sagte sie schließlich.
John lachte leise auf. «Unfassbar. Ich sehe nicht mal einen.»
Grace wandte sich ihm zu und legte ihm eine Hand an die Wange. «Ich kann mich nicht an den Bart gewöhnen.»
«Ich auch nicht. Wie ist es mit Magozzi gelaufen?»
«Er glaubt, wir schlafen miteinander.»
John machte ein Gesicht wie ein Kater, der gerade den dicksten Kanarienvogel der Welt verspeist hat. «Ist nicht wahr! Das ist ja der Hammer.»
Das Tollste an der Jagdhütte waren die ultramodernen Fenster, die im Sommer die Hitze aussperrten und im Winter die Kälte. Außerdem ermöglichten sie einen klaren Blick nach draußen, ohne dass man von außen gesehen wurde. Das hatte Magozzi am frühen Morgen festgestellt, als ein gewaltiger Zwölfender vor dem Wohnzimmerfenster stehen geblieben war. Er schien Magozzi, der hinter dem Sofa stand, direkt anzusehen.
«Sehen Sie nur», flüsterte er, als der Chief hinter ihn trat, die Schritte so lautlos wie Gänseblümchenblätter, die auf eine saftige Wiese fallen. «Er sieht mich an.»
«Aber er sieht Sie nicht», hatte der Chief ihm erklärt. «Solange Sie sich nicht bewegen, sieht er nur sein eigenes Spiegelbild.»
Jetzt stand Magozzi wieder an derselben Stelle und beobachtete Grace und John auf der Veranda. Er konnte nicht hören, worüber sie sprachen, doch er sah, wie Grace John die Hand an die Wange legte, und spürte ein leichtes Ziehen in der Brust.
Wenig später traf er John Smith allein im Nebenzimmer an, wo er etliche Seiten aus dem Computer ausdruckte.
«Die sind
Weitere Kostenlose Bücher