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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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es dem Kollegen Meppens ja nicht übel, daß der von den strukturellen Unterschieden zwischen Hoch- und Tiefbau noch nie was gehört hätte, sagte er. Aber er empfehle ihm doch, seine Inkompetenz nicht so deutlich zur Schau zu stellen, daß die wenigen verbliebenen Arbeiter unter den SPD-Wählern auch noch davonliefen. Während nämlich beim Wohnungsbau die preisunempfindliche öffentliche Hand mit der privaten Wohnungswirtschaft konkurriere und eine kumulierte staatliche und private Baunachfrage die Kosten in die Höhe treibe – was man gegenwärtig erlebe und was zur Folge habe, daß der Eigenheimbau drastisch zurückgehe, wodurch wiederum weniger Mietwohnungen für Nachrücker frei würden, denen, nach Meppens Philosophie, der Staat dann weitere Sozialwohnungen bauen müßte, was die Preise weiter nach oben drücken würde, ein absurder Wettlauf, bei dem immer weniger Wohnungen immer mehr kosteten, so daß sich am Schluß nur noch Reiche den Luxus eigener vier Wände leisten könnten: ob das denn wohl die sozialpolitische Wunschvorstellung der SPD wär? –, mit anderen Worten, während also im Wohnungsbau das Kostenmoment eine enorme wirtschaftliche und gesellschaftliche Rolle spiele, hätte es der hochrationalisierte Tiefbau mit einer völlig anderen Situation zu tun. Dort brauche man gleichmäßige Kapazitätsauslastungen, um die langen Abschreibungszeiträume für Investitionen erwirtschaften zu können. Und wenn die öffentliche Hand diesen Zusammenhang nicht beachte und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur von konjunkturellen Faktoren abhängig mache, passiere genau das, was gerade jetzt wieder passiere, daß nämlich – rief Specht und reckte den Arm beschwörend in Richtung jenes geopolitischen Meridians, auf dem er die Bundeshauptstadt vermutete – die Mittel für den Straßenbau immer dann reichlich fließen würden, wenn die Unternehmen ihren Maschinen- und Personalbestand gerade reduziert hätten, und umgekehrt. Was, von allem abgesehen, auch ein merkwürdiges Licht auf manche Mitglieder der Bundesregierung werfe, die sich auf ihren ökonomischen Sachverstand doch sonst so viel zugute hielten. Im übrigen, sagte er und senkte dabei Stimme und Hand, bis beide gewissermaßen wieder heimische Bodenberührung hatten, verfolge seine Regierung ohnehin das Prinzip Ausbau vor Neubau, nur könnte sie das noch viel konsequenter tun, wenn nicht immer wieder die Abgeordneten der Opposition darauf drängen würden, in ihrem Wahlkreis eine neue Umgehungsstraße oder Ortsdurchfahrt bauen zu lassen.
    Nein, es war nicht ratsam, Oskar Specht im Plenum herauszufordern. Die Atmosphäre behagte ihm. Das schulbubenhafte, schadenfrohe Gelächter seiner Fraktion, die unter Deusels Führung bewundernd an seinen Lippen hing und nach jeder Pointe losklatschte, spornte ihn an. Hinter sich, auf der Galerie, wußte er die Zunft bonmotgieriger Journalisten, denen er, wenn er Proben seines Könnens abgelegt hatte, beifallheischend zuzwinkerte.
    Er saß in der ersten Reihe der Regierungsbank, nächst dem Landtagspräsidenten, erhöht. Die Abgeordneten mußten zu ihm aufschauen. Seine Spitzenbeamten hockten im zweiten Glied und hatten den Hintern zu heben, wenn er, kaum den Kopf wendend, Weisungen erteilte. Parlamente sind hierarchische Spiegel des Volkes. Oben ist oben und hinten ist hinten.
    Nur einer, der wie Oskar Specht von unten gekommen war und sich den sehnlichsten Wunsch, das Gymnasium bis zum Abitur zu durchlaufen, ohne eigenes Verschulden nicht hatte erfüllen können, wußte, was es heißt, auf andere herunterzublicken und Akademiker in gebückte Arschlupfhaltung zu zwingen.
    Macht ist wie ein großer Weinjahrgang. Grand cru .
    Gestern, heute und morgen
    Du, ich brauch einen Smoking!
    Bernhard Gundelach deutete auf die Einladung: ›Festliche Abendkleidung erwünscht‹.
    Heike stand in der winzigen Küche und schüttete Nudeln ins kochende Wasser. Wieder sechshundert Mark futsch, sagte sie ohne aufzuschauen. Sie schaltete den Dunstabzug ein.
    Mein Gott, ja, was soll ich machen? Vielleicht als einziger unter dreihundert Herren im grauen Anzug rumrennen?
    Noch immer hielt er das cremefarbene Büttenpapier hoch, als müsse er es zu seiner Rechtfertigung vorlegen. Zorn stieg in ihm auf.
    Du kannst wirklich nicht behaupten, daß ich in eigenen Angelegenheiten verschwenderisch bin! Wenn ich mir den Koffer anschaue, mit dem ich bei Auswärtsterminen unterwegs bin – .
    Ich sage ja gar nichts.
    Alle anderen, der Henschke, der

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