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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Wiener, kommen mit ihrem Samsonite daher –.
    Reg dich doch nicht auf. Ich sagte, ich sag ja gar nichts!
    Nun aber erging es dem jungen Ehemann nicht anders als seinem ungestümen Chef: er wollte sich aufregen. War doch in letzter Zeit zwischen Heike und ihm eine unterschwellige Gereiztheit zu spüren, die ihn, wie ein Gefäß, Tropfen für Tropfen mit schleichender Erbitterung füllte. Ein unausgesprochener Vorwurf lastete im Raum. Jetzt wäre die resolute mütterliche Tante als Sprachvermittlerin nützlich gewesen; die aber hielt sich mit Besuchen und sogar mit telefonischen Lebenszeichen zurück. Sie wolle die jungen Leute nicht mit dem Geplapper eines alten Weibes belästigen, hatte sie schon zu Weihnachten gesagt. Das war ehrenvoll, aber schade. Gundelach mochte die Ziehmutter seiner Frau auf Anhieb.
    Das Problem bestand im Kern wohl darin, daß Heikes Weg allmählich aus der Staatskanzlei hinausführte, während Bernhards Lebensmittelpunkt, wie es schien, sich unaufhaltsam in den innersten Kreis des Machtzentrums verlagerte.
    Kaum ein Tag verging, an dem er nicht zu diesem oder jenem Gespräch hinzugezogen, für dessen Geschehnisse er nicht als geschwinder Vermelder benötigt wurde. Er besaß – und wußte es bald auf den Punkt einzuschätzen – ein fast unfehlbares Gespür dafür, was Oskar Specht in seinem täglich aufs neue loswirbelnden Terminkarussell wortstark bewegen, welche Botschaften er auf die Öffentlichkeit abfeuern wollte. Vor Kirchenvertretern erwärmte sich Specht für ›vergessene Gruppen‹ und erklärte die Bundesrepublik zur Freude der grundgütigen Herren in Schwarz zum Einwanderungsland (nur hatte es, wie üblich, noch keiner gemerkt). Den Landräten und Bürgermeistern sprach er wenig später mit der Forderung, den Zustrom von Asylanten und das Anwachsen der Sozialhilfeleistungen zu bremsen, aus dem knausrigen Kämmererherzen. Betriebsräte verließen den Gobelinsaal gestärkt in der Gewißheit, den neuen Ministerpräsidenten beim Kampf gegen Rationalisierungsfolgen auf ihrer Seite zu haben. Das kurze Zeit später zum abendlichen Buffet geladene Unternehmerlager durfte aus der Bibliothek die Überzeugung mitnehmen, endlich den kompromißlosen Technologiepolitiker gefunden zu haben, der der japanischen Herausforderung unerschrocken ins schräggeschnittene Auge sah.
    Und es war, in diesen wie in anderen Fällen, beileibe kein Verrat im Spiel. Das Leben selbst, dieses komplizierte Geflecht gesellschaftlich-ökonomischer Zwänge, diktierte die Bedingungen, denen die Politik, so sie etwas taugte, ordnend und steuernd, aus ganzheitlicher Sicht gewissermaßen, zu entsprechen hatte. Niemand konnte das eindrücklicher darlegen als Specht, und keiner verstand es besser in schlagzeilensichere Sätze zu fassen als Gundelach.
    Ein flimmerndes Kaleidoskop war Bernhard Gundelachs Tageslauf. Das Leben, es quoll aus der Tube. Und Heike? Sie saß mit langsam sich rundendem Bauch im ewiggleichen Halbdunkel ihrer Dachschräge und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, von allem, was ihrem Mann wichtig war, abgeschnitten zu sein. Plump und unbedeutend wirkte ihr Dasein, verglichen mit der strudelnden Hektik ringsum.
    Und jetzt verbrühte sie sich auch noch am kochenden Wasser, während er über festliche Kleidung und vornehme Koffer räsonierte!
    Man kann das eine nicht ohne das andere haben, beharrte Gundelach streitsüchtig. Erfolg, Aufstieg, Karriere – dafür muß man Opfer bringen, gerade am Anfang. Und bei einem Chef wie Oskar Specht doppelt.
    Deswegen brauchst du ihn trotzdem nicht anzuhimmeln. Und auch nicht meinen, jeden Abend als Letzter im Büro das Licht ausknipsen oder ihn bis vor die Haustür begleiten zu müssen. Die wird er noch alleine finden.
    Aha! Da also lag der Hund begraben!
    Das ist ja lächerlich. Ich himmle ihn doch nicht an! Ich mache meine Arbeit und die endet eben nicht um halb fünf wie bei einem Postbeamten.
    Das weiß ich auch. Aber damit ist noch lange nicht gesagt, daß du dich wie ein Leibeigener von ihm zu jeder Veranstaltung kommandieren lassen mußt. Meines Wissens gibt es noch mehr Leute auf Monrepos, und es können nicht nur Idioten darunter sein.
    Das wird ja immer schöner! Leibeigener! Kommandieren lassen! Ja, glaubst du, ich schlage mir die Abende aus Jux und Tollerei um die Ohren? Und was die Häufigkeit der Termine betrifft: Da schau dir bitte mal Wieners Pensum an. Der ist wirklich keinen Abend zu Hause.
    Er wird seine Gründe haben, sagte Heike kühl.

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