Monrepos oder die Kaelte der Macht
Sie schon mal davon gehört. Produzieren irgendwelche komplizierten Geräte. Tendvall hat den Oskar bei seinen ersten Wahlkämpfen finanziell unterstützt, als er das noch brauchte. Sie wollten wohl sogar mal ein Buch zusammen machen. Der alte Herr ist nämlich ein verkappter Wirtschaftswissenschaftler, der sich Gedanken über Vermögensbildung und soziale Sicherung macht. Mit dem Buch hat’s zwar nicht geklappt, weil der Oskar kein Typ fürs Schreiben ist. Das hindert den alten Tendvall aber nicht, ihn mit rührender Anhänglichkeit zu verfolgen. Er ist nämlich felsenfest davon überzeugt, Spechts politisches Talent als erster entdeckt und gefördert zu haben, und vielleicht stimmt’s sogar. Jedenfalls, Tendvall ist absolut in Ordnung, ein Original, das Sie unbedingt kennenlernen müssen. So, und jetzt brauchen Sie bloß zwei und zwei zusammenzuzählen. Tendvall ist stolz darauf, daß sein Schützling Ministerpräsident geworden ist und will ihm was Gutes tun, und Specht kann sich’s gar nicht erlauben abzulehnen, ohne undankbar zu erscheinen. Der eine hat Geld, der andere Ideen. Und wir finden eine Form, in der beides zusammenfließt. Das ist Politik, sag ich Ihnen. Mann, ick könnt mir selber küssen, wie jut wa sind …
Wiener verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sein Gesicht strahlte rosig.
Ich nicht, sagte Gundelach. Weil ich’s immer noch nicht begreife.
Wirklich nicht? Dann sind Sie doch nicht so clever wie ich dachte. Ist doch klar, wie das laufen muß. Wir lassen uns von der Tendvall-Stiftung eine Veranstaltung sponsern, die Specht mit der deutschen Wirtschafts- und Geisteselite zusammenbringt. Vom mächtigen Industrieboß bis zum nobelpreisverdächtigen Professor. Dazu Specht als einziger Politiker. Da muß er zuhören und hat gleichzeitig die Chance, groß rauszukommen, weil wir die Diskussionsthemen vorgeben und ihn perfekt vorbereiten. An zwei Tagen kriegt er mehr nützliche Kontakte als sonst in einem Jahr und lernt ‘ne Menge dazu. Sie werden sehen, er wird das alles aufsaugen wie ein Schwamm und es hinterher in politische Aktionen umsetzen, denn das ist seine absolute Stärke.
Hört sich gut an, sagte Gundelach. Fragt sich nur, ob die Hochkaräter kommen, wenn wir sie einladen. Die könnten ja auch was Besseres zu tun haben, als einen neuen Ministerpräsidenten zu beraten.
Wieder war es da, das überlegene Grinsen, das Gundelachs Puls hochjagte.
Junge, was wetten wir? Eine Kiste Schampus? Nein, das wäre unfair, das machen wir, wenn Sie Ministerialrat sind. Sie würden hochkant verlieren, mein Lieber. Für Bonzen und Gelehrte gibt’s nämlich nichts Schöneres, als Politik machen zu können. Die Chance, so wie Sie und ich täglich in Spechts Zimmer stiefeln zu können, wäre manchem ein Vermögen wert. Und jetzt bieten wir ihnen dieses Vergnügen an zwei Tagen kostenlos, in feinster Umgebung, versteht sich, und mit prominenter Gesellschaft. – Übrigens habe ich bei meiner Aufzählung die Gewerkschaften vergessen, die sind auch sehr empfänglich für solche Konstellationen.
Sie haben sicher alles schon bis ins kleinste vorbereitet, sagte Gundelach mutlos.
Nicht die Bohne, erwiderte Wiener fröhlich. Das wird Ihr Job. Als erstes treffen wir uns mit Dr. Gerstäcker in Düsseldorf. Der hat dort eine große Kanzlei und berät die Tendvall-Stiftung. Auch ein Supertyp. Er unterstützt uns, wo er kann. Danach bereden wir die Geschichte mit dem alten Tendvall selbst. Beim ersten Mal muß Oskar mitkommen, später reicht es, wenn wir beide den Kontakt pflegen. Fangen Sie aber schon mal mit den Vorbereitungen an, damit wir Gerstäcker ein fertiges Konzept präsentieren können. Das Protokoll soll Ihnen die Spitzenhotels im Land zusammenstellen, das Wirtschaftsministerium eine Liste aller industriellen Dachverbände und die Namen der wichtigsten Vorstandsvorsitzenden von Konzernen. Gerstäcker wird wahrscheinlich auch noch ein paar Wünsche äußern, was seine eigene Klientel betrifft. Da müssen wir flexibel sein. Und machen Sie sich Gedanken über interessante Themen und ein, zwei Professoren, die kurze Einführungsreferate halten können.
Themen? Gundelach verzog das Gesicht. Das ist ein weites Feld. Etwas genauer sollte ich die Richtung schon kennen.
Denken Sie sich was aus, Mensch, sagte Wiener unwillig. Was Zukunftsweisendes. Wo Specht Visionen entwickeln kann. Und nicht zu speziell, damit jeder mitreden kann.
Das Telefon klingelte. Wiener nahm den Hörer ab und sagte: Moment noch!
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