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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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vortrug. Er hatte, seit er mit ihm zusammenarbeitete, nicht den Eindruck gewonnen, daß den Pressechef etwas anderes als die Häufigkeit täglicher Spechtmeldungen interessierte.
    Ich sehe bisher niemanden, der den MP so, wie Sie das befürchten, angreift. Außer der Opposition natürlich, aber das ist deren Pflicht. Ansonsten nur Faszination und Aufbruchstimmung, von der Wirtschaft bis zu den Journalisten. Oder täusche ich mich?
    Ein überlegenes Lächeln, das zu unterdrücken er vergaß oder nicht für notwendig erachtete, flog über Wieners Gesicht.
    Junge, sagte er gönnerhaft, wenn Sie in der Politik etwas sehen, ist es zu spät. Riechen müssen Sie es, im Bauch spüren. Nur dann überleben Sie in diesem Scheißjob. Ich sag Ihnen was: Sie und ich, wir saßen letzte Woche bei dieser komischen Richtertagung, die Specht eröffnet hat. Erinnern Sie sich an den Moment, als Oskar aus Ihrem Manuskript den Satz Audiatur et altera pars vorgelesen hat? Erinnern Sie sich, wie er die Silben betont hat? Ich bin vor Schreck fast vom Stuhl gekippt. Und das Zucken um die Mundwinkel der Herren Juristen, die verstohlenen Seitenblicke – Mann, geben Sie’s doch zu, Sie haben das genauso registriert wie ich. Zwei falsch betonte Silben, zwei von ein paar Tausend – und die ganze gescheite Rede war futsch. Wollen Sie das so einfach hinnehmen, he? Glauben Sie, daß das auf Dauer gutgeht?
    Wohl nicht, sagte der Oberregierungsrat.
    Na also. Und das ist doch nicht der einzige Fall. Sie waren noch nicht auf Auslandsreisen mit Specht, Sie haben ihn noch nicht englisch reden hören. Er übersetzt sein: Das müssen wir denen lernen! gnadenlos mit: We have to learn them! Gottseidank sind die Amis fröhliche Menschen, die sich über jeden freuen, der sich in ihrer Sprache versucht. Aber wenn Specht international reüssieren soll, muß er diese Klippen überwinden. Und wir müssen ihm dabei helfen!
    Einverstanden. Aber wie?
    Wiener beugte den Oberkörper vor.
    Der Specht ist ein Pfundskerl – das mal vor der Klammer. Er kann Leute begeistern und mitreißen wie kein zweiter Politiker, außer Strauß. Aber Oskar hat nicht das Wissen und auch noch nicht die Erfahrung von Franz Josef. Ihm fehlt die Breite und die Tiefe. Die Folge ist, daß er immer hektischer wird. Er hat zwar tausend Ideen, aber keine Übersicht. Wenn wir ihn so weitermachen lassen, läuft er sich in zwei, drei Jahren zu Tode.
    Hm, machte Gundelach beeindruckt. Das mag ja stimmen. Aber wir können einen Ministerpräsidenten doch nicht auf den zweiten Bildungsweg schicken. Er –.
    Doch, unterbrach ihn Tom Wiener. Wir können und wir werden. Genau das. Das einzige Problem ist, es so hinzukriegen, daß er’s nicht merkt.
    Ich weiß nicht recht, sagte Gundelach zögernd. Die Vorstellung, einen Ministerpräsidenten – und mochte es zehnmal zu dessen Nutzen sein – zu manipulieren, bereitete ihm Bauchschmerzen. Wenn Specht die Absicht durchschaute, war der Teufel los. Dann konnte man sich schon mal im Hauptstaatsarchiv oder beim Staatsanzeiger nach einem warmen Plätzchen umsehen.
    Manchmal schien es, als könnte Wiener Gedanken lesen.
    Sie haben Angst um Ihre Karriere, was, sagte er mit einem Anflug von Schadenfreude. Keine Sorge, Junge, es geht nicht schief. Aber unabhängig davon – wir haben gar keine andere Wahl. Entweder wir steigen mit Specht oder wir fallen mit ihm. Dazwischen gibt’s nix. Und so, wie ich Sie kennengelernt habe, wollen Sie auch lieber steigen als fallen, wie?
    Wieners letzte Bemerkung war eine Bosheit. Schlimm nur, daß sie zutraf. Gundelach schwieg wie ein ertappter Sünder.
    Wir tun ja nichts Unrechtes, sagte Wiener nach einer Pause, in der er die Wirkung seiner Attacke ausgekostet hatte. Im Gegenteil: Wir tragen dazu bei, daß Specht seine Fähigkeiten erst so richtig entfalten kann. Der Mann ist ein Juwel, ich schwör’s Ihnen. Er hat eine unglaubliche Auffassungsgabe und eine ungeheure natürliche Intelligenz. Das muß jetzt bloß gefördert und in vernünftige Bahnen gelenkt werden. Dann kann er alles werden, sogar Bundeskanzler. Nee, wirklich, ohne Witz! Und das sind doch hübsche Perspektiven, auch für Sie, oder?
    Es reicht jetzt! wollte Gundelach auffahren. Doch er sagte leise: Nun erzählen Sie schon, was Sie vorhaben.
    Es gibt da eine Stiftung, antwortete Tom Wiener bedächtig. Nichts übertrieben Großes, aber für unsere Zwecke genau das Richtige. Der Stifter ist ein netter alter Herr, Sören Tendvall. Tendvall-Werke, vielleicht haben

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