Monrepos oder die Kaelte der Macht
Außerdem verdient er doppelt so viel wie du. Aber das ist mir wurscht. Ich bin mit dir verheiratet und nicht mit ihm.
Ach, wäre Bernhard Gundelach nur ein halbwegs erfahrener Ehemann gewesen! Er hätte das Friedensangebot bemerkt, das in Heikes letzten Sätzen lag. Aber er begriff nichts. Sein gekränktes Ich sprudelte wie das Wasser auf dem Herd.
Früher warst du stolz auf meine Erfolge, bemerkte er mit vor Selbstmitleid zitternder Stimme. Da konnte es dir gar nicht schnell genug gehen. Wenn wir bei den Stadtfesten zum Landesjubiläum vom Landrat und vom Bürgermeister persönlich begrüßt wurden, hast du es in vollen Zügen genossen. Da war kein Abend zu lang und kein Anlaß zu unwichtig. Der Unterschied ist nur, daß du damals dabei warst und jetzt nicht.
Heikes Antwort kam schneidend.
Der Unterschied, mein Lieber, besteht darin, daß du damals als Person aufgetreten bist und etwas gegolten hast, während du jetzt nur noch als Anhängsel im Troß mitreist. Der Specht braucht sein Gefolge, den Schreiber, den Schleppenträger, den Marktschreier. Irgendwann wird er sich auch noch einen Hofnarren zulegen, und ich bin gespannt, wen er mit dieser ehrenvollen Aufgabe betraut!
Willst du damit sagen –
Ich will damit sagen, daß ich im sechsten Monat schwanger bin und keine Lust habe, ein Kind auf die Welt zu bringen, das seinen Vater nur sonntags, wenn es Glück hat, zu Gesicht bekommt. Und genauso wenig Lust habe ich, meinem Kind später erklären zu müssen, warum sein Vater zwar Zeit hatte, sich um Smoking und Samsonites zu kümmern, nicht aber um eine Wohnung mit Kinderzimmer und einem Spielplatz in der Nähe. Vielleicht denkst du auch mal darüber nach!
Das saß. Wie ein auf dem Rücken mit den Beinen zappelndes Insekt kam Bernhard sich vor. Und natürlich wußte er, daß seine Frau im Recht war. Eigentlich tat er gar nichts für das Kind. Samstags las er pflichtschuldig in der Zeitung den Wohnungs- und Immobilienteil. Einige Male hatte er bei Hausbesitzern angerufen, deren Telefonnummer angegeben war. Schon deren mißtrauisch-lauernde Vermieterstimme reichte ihm. Heike hatte sich auf chiffrierte Annoncen gemeldet, ohne Antwort zu erhalten. Die Zeit verstrich, Heikes Leib wölbte sich, Bernhard tauchte unter im weiten, warmen Meer dienstlicher Unabkömmlichkeit.
Das Kind … Specht interessierten private Probleme seiner Mitarbeiter wenig, das war nicht zu leugnen. In der Politik muß man sich mit seiner Frau arrangieren! hatte er einmal zum besten gegeben, nachts, beim Skat mit Wiener und einem Polizisten. Entweder die Frau zieht mit, oder –.
Dann hatte er gereizt, das Spiel gemacht und gewonnen.
Also gut, sagte Gundelach. Ich nehme zur Kenntnis, daß du mich für einen karrieresüchtigen Egoisten hältst, dem die Familie nichts bedeutet und der sich zum eigenen Vergnügen in der Welt herumtreibt. Ich für meinen Teil sehe das anders – als Vorleistung und als Chance, Kontakte zu knüpfen, die man sonst nie bekommen würde. Aber lassen wir das. Es hat keinen Zweck.
Er sprach mit der gestelzten Würde eines zu Tode Gekränkten und war sich der Lächerlichkeit seiner Pose bewußt. Und noch theatralischer wirkte, wie er die flauschige Einladungskarte packte und stumm zerriß. Grotesk. Lachhaft. Aber er konnte nicht aus seiner Haut.
Er wollte nicht mehr zum Überseetag nach Hamburg. Er wollte überhaupt nicht mehr.
Kann man mit dir nicht einmal vernünftig diskutieren? fragte Heike und starrte auf die häßlichen Papierfetzen. Warum mußt du immer gleich ausrasten?
Sie schwiegen bedrückt und wußten keinen Rat. Das Kind, noch nicht geboren, schien sich schon zwischen sie zu schieben.
Als Schüler war Gundelach für einige Tage in der norddeutschen Türmestadt gewesen; danach nicht mehr. Damals hatten sie in einer Jugendherberge genächtigt und, anstatt das historische Dichterhaus zu besichtigen, dem Discodampfer im Hafen einen ausgiebigen Besuch abgestattet.
Jetzt war alles anders. Mit einem Privatjet waren sie nach Kiel geflogen, zum Bundesparteitag der CDU, und hatten dort, eher beiläufig, das politische Ende Breisingers miterlebt. Breisinger war nicht mehr ins Parteipräsidium gewählt worden. Schon am Vorabend hatte sich seine Niederlage abgezeichnet. Pörthner meldete besorgt, die nordrhein-westfälischen Delegierten ließen keine Bereitschaft für gegenseitige Wahlabsprachen erkennen. Die Nordrhein-Westfälinger, wie der Parteijargon sie nannte, vereinten über ein Drittel der Stimmen auf
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