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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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der riesige weiße Rauchpilz ins Blau des Himmels und ins Gemüt Millionen Technikgläubiger.
    Kaum vierundzwanzig Stunden später produzierte Daimler Benz vor Millionen wütender Zuschauer mit einer dilettantischen, aus den Fugen geratenen Jubiläumsshow den Fernsehflop des Jahrzehnts. Tausende eingezwängter, gemarterter Ehrengäste fluchten in der Enge der hauptstädtischen Festhalle, und selbst der allzeit beherrschte Bundespräsident verlor die Contenance. Es war zum Verrücktwerden. Oskar Specht schämte sich abgrundtief für das Versagen seines Vorzeigekonzerns. Nach diesem Debakel, entschied er, sei dessen Vorstandsvorsitzender nicht mehr zu halten. Und er kannte auch schon den geeigneten Nachfolger. Die Deutsche Bank, vertraute er Wiener und Gundelach an, werde ihren Widerstand gegen den Sozialdemokraten Edzard Reuter bald aufgeben. Und das sei nötig, denn nur Reuter denke in strategischen Dimensionen. Freund Kiefer bleibe, bei aller Wertschätzung, ein Autobauer, ein Macher. Für den Umbau zum weltweit operierenden High-tech-Konzern aber bedürfe es eines ebenso politischen wie visionären Kopfes.
    Gundelach sah Specht fragend an.
    Specht lächelte und sagte, er werde in Kürze mit Alfred Herrhausen, dem neuen Vorstandssprecher der Deutschen Bank, über das Thema beraten. Herrhausen und er hätten dieselbe Wellenlänge. Auch Herrhausen sei ein unglaublich guter Typ. Wenn die kleinkarierten Bänker des Landes doch nur etwas von seiner Dynamik und Weitsicht besäßen! Dann wäre die Bankenfusion längst unter Dach und Fach.
    Die Bankenfusion war Spechts zweites großes Thema. Ähnlich wie Daimler Benz durch Firmenkäufe zum führenden deutschen Produktionsbetrieb aufgestiegen war, sollte eine aus vier bislang selbständigen Unternehmen zusammengeschweißte Landesbank bundesweit für Furore sorgen. Wenn es gelang, die Dachinstitute des Sparkassenverbandes und die größte Girokasse der Landeshauptstadt mit der Förderbank des Landes zu vereinigen, besaß man auf einen Schlag ein Finanzierungsinstrument, das über hundert Milliarden Mark Bilanzsumme aufwies und hinter der Westdeutschen Landesbank Platz zwei im öffentlich-rechtlichen Geldgeschäft belegte. Selbst die starken Geschäfts- und Hypothekenbanken in Frankfurt und München, die jetzt unter den wohlhabenden Mittelständlern des Landes reiche Beute fanden, mußten eine solche Konkurrenz fürchten. Und welche Perspektiven eröffneten sich erst zur Finanzierung kultureller und infrastruktureller Projekte, mit denen die Krämerseelen des Landtags den Haushalt nicht belasten wollten!
    Doch die Krämerseelen hockten überall, nicht nur im Parlament. Als Landräte, Vorstände und Direktoren saßen sie in den Gremien und bangten um ihre Pfründe. Dachten in Zweigstellen- und Regionalproporz, hatten den verbandsinternen Klüngel im Kopf und die Personalvertretungen im Nacken. Gundelach, der den zähen Verhandlungen in der Bibliothek des Schlosses als stummer Beobachter beiwohnte, bewunderte Spechts Gabe, mit Zahlenspielereien sogar Zahlenmenschen konfus zu rechnen. Genauso staunte er allerdings über die Fähigkeit der blaubetuchten Herren, wortreich Wohlwollen zu beteuern, ohne konkret etwas zu sagen. Sie kopierten die Politik perfekt.
    Am Ende jeder Sitzung hatte man den Eindruck, der Wurstzipfel, nach dem der Ministerpräsident schnappte, hänge schon unmittelbar vor seinen manikürten Fingern. Man roch ihn förmlich. Beim nächsten Treffen jedoch stellte sich heraus, daß die meisten von der Wurst, um die es ging, noch nie etwas gehört haben wollten.
    Dann teilte der Stirngraben wie eine Gletscherspalte Spechts fahles, übernächtigtes Gesicht. Doch er beherrschte sich.
    Er wußte, daß er im Land endlich wieder einen durchschlagenden Erfolg brauchte, um dem Gerede, ihm sei mit der Lust am klein parzellierten Regierungsgeschäft auch das Geschick dazu abhanden gekommen, ein Ende zu bereiten. Deshalb war es gerade jetzt und auf diesem Feld wichtig nachzuweisen, daß sich große Ideen auch mit einem Haufen Erbsenzählern verwirklichen lassen. Das strengte an. Es war, wie Specht zu seufzen sich angewöhnt hatte, nicht vergnügungssteuerpflichtig. Der Umgang mit der CDU-Fraktion war es im übrigen auch nicht. Ständig mußte man sie, wie ein Dompteur mit drohend erhobener Peitsche, in Schach halten. Denn die Zahl der Unzufriedenen wuchs.
    Zum einen waren da die Anhänger Helmut Kohls, die Spechts Attacken auf die Bonner Koalition als unsolidarische

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