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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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waren andere Zeiten. Ich will keinen ideologischen Kaderverein, sondern intelligente Sachpolitik. Die Bürger glauben hohlen Phrasen ohnehin nicht mehr. Wenn die Politik das nicht begreift und sich nicht von innen heraus wandelt, jagt man uns irgendwann zum Teufel.
    Andreas Kurz schwieg und griff nach der Türklinke.
    Das ist ein guter Vorsatz, Bernhard, sagte er, sich umwendend. Und ich wünsch dir Glück bei dem Versuch, ihn auszuführen. Aber dazu mußt du viel härter werden, gegen dich und gegen alles, was noch vom alten Holz ist. Wie ich, zum Beispiel. Sag dir immer wieder: Nichts ist geblieben, wie es war. Gar nichts. Sag dir das immer wieder und schau nicht zurück.
    Andreas?
    Ja?
    Ich weiß, daß du gerne in der Grundsatzabteilung gewesen bist, bevor man dich zum Protokoll … versetzt hat. Würdest du zu mir zurückkommen? Ich hab eine freie Stelle. Du könntest sogar zum Regierungsrat aufsteigen!
    Der Oberamtsrat öffnete die Tür.
    Vielen Dank, sagte er. Vielen Dank, Herr Gundelach. Ihr Angebot ist ehrenvoll. Aber ich möchte es doch lieber nicht annehmen!
    Intelligente Sachpolitik. Wandel von innen heraus. Das ließ sich hübsch und gefällig sagen und auch flott niederschreiben wie in der Regierungserklärung vom 23. April, in der Gundelach den Apparat, der ihm jetzt zur Verfügung stand, erstmals voll nutzte. Die Flut aller ökonomischen, wissenschaftlichen und technischen Maßnahmen der letzten Jahre wurde zu einem beeindruckenden Gewässer aufgestaut, in dem sich die Spitzenpositionen des Landes spiegelten wie Berggipfel in einem Gletschersee.
    Das Land hatte den strukturellen Wandel der achtziger Jahre unter allen Bundesländern nachweislich am besten und schnellsten bewältigt. Punktum. Wer etwas anderes behauptete, mußte Zahlen und Statistiken, die ein Heer von Beamten und Forschern auf Weisung des Abteilungsleiters Politische Planung in Windeseile in die Fangnetze der Grundsatzabteilung geschwemmt hatte, widerlegen.
    Die Opposition konnte einem fast leid tun.
    Die Qualität des Parlaments verkommt immer mehr, sagte Specht zufrieden und schaffte es so wenig wie sein Gehilfe, eine staatspolitische Sorgenfaltenmiene aufzusetzen.
    Doch drei Tage später explodierte in der fernen Ukraine das Kernkraftwerk Tschernobyl. Und zwei Wochen danach waren Wiesen, Äcker und Spielplätze verstrahlt, und in den Dörfern des Landes mußten Polizisten wie Amtsbüttel des neunzehnten Jahrhunderts Warnungen an die Bevölkerung ausschellen, weil es kein schnelles, direktes Kommunikationsnetz innerhalb der Verwaltung gab.
    Immerhin half die Katastrophe, ein schwärendes Begründungsproblem zu lösen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte letztinstanzlich entschieden, daß das Kernkraftwerk Weihl gebaut werden dürfe. Die Justiz bescherte der Politik einen unerwünschten Etappensieg. Bisher hatte man sich hinter dem Argument, die Rechtslage sei ungeklärt, verstecken können. Nach dem Richterspruch ging das nicht mehr. Jetzt drängten die Energieversorgungsunternehmen zum Handeln. Besonders das ›Rhein-Werk‹, Antragsteller für die Genehmigung des umstrittenen Atommeilers, tat sich dabei hervor. Ungerührt, als hätte es zu Breisingers Zeiten in und um Weihl nicht schon bürgerkriegsähnliche Zustände gegeben, beharrte es auf seinem Vorhaben und argumentierte, scheinbar unpolitisch, mit Grundlastdeckung und Kostendruck. Die deutsche Steinkohle wurde zu teuer.
    Der Vorstandsvorsitzende des ›Rhein-Werks‹ aber war niemand anders als jener Dr. Renz, der bis 1977 die Bundesratsabteilung auf Schloß Monrepos geleitet hatte. Renz machte keinen Hehl daraus, daß er nicht daran dachte, Specht, den er wenig schätzte, auf billige Weise aus dem politischen Obligo seines Vorgängers zu entlassen. Natürlich sagte er das nur unter der Hand. Offiziell operierte er mit Zahlen und Prognosen. Daß dies sonst Spechts ureigenstes Metier war, steigerte sein Vergnügen. Umgekehrt trug Specht sich mit dem Gedanken, den Landesanteil am Aktienkapital des ›Rhein-Werks‹ zu verkaufen, um einige hundert Millionen Mark Liquidität in die Staatskasse zu schwemmen und Renz der kalten Zugluft eines rein privatwirtschaftlichen Unternehmens auszusetzen. Doch dann hätte wiederum der Finanzminister sein dortiges Mandat als Aufsichtsratsvorsitzender verloren.
    Die Sache war kompliziert.
    Tschernobyl entschärfte die Lage. Selbst die hartgesottensten Atommanager sahen ein, daß Forderungen nach neuen Reaktoren nicht in eine radioaktiv verseuchte

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