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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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Öffentlichkeitsarbeit. Für sie wurde eine Stabsstelle eingerichtet, die Regierungssprecher Thomas Wiener direkt unterstellt ist.
    Die Nachricht war insofern unvollständig, als sie zu erwähnen vergaß, daß Gundelach zugleich mit seinem neuen Amt auch die Ernennungsurkunde zum Leitenden Ministerialrat erhalten hatte. Ansonsten stimmte alles.
    Einer der ersten Gratulanten war Andreas Kurz.
    Darf ich noch Du oder muß ich jetzt Sie sagen?
    Sei nicht albern, erwiderte Gundelach. Setz dich. Doch der Oberamtsrat blieb stehen.
    Weißt du, Bernhard, sagte er, das ist nicht so einfach für mich. Bisher warst du ein Kollege, dessen enge Beziehung zum MP zwar allgemein bekannt ist. Aber du hattest formal keine Funktion inne, die dich heraus gehoben hätte. Seit heute ist das anders. Du bist Chef einer wichtigen Abteilung und Vorgesetzter etlicher Kollegen. Man wird im Haus genau beobachten, zu wem du besondere Kontakte unterhältst. Und viele fänden es wahrscheinlich … na ja, sagen wir: merkwürdig, wenn du weiterhin Duzfreundschaft mit jemandem wie mir pflegen würdest, der rangmäßig so weit unter dir steht. Deshalb … bin ich gekommen, um dir von Herzen zu gratulieren und dir das Sie wieder anzubieten.
    Er stand gerade wie ein Soldat und zuckte verlegen mit den Fingern.
    Gundelach packte ihn an den Schultern. Andreas, alter Schafskopf, sagte er leise. Haben dich die Jahre hier so verbogen und krumm gemacht, daß du nur noch in Hierarchien denkst? Ausgerechnet du? Der mich damals so menschlich aufgenommen hat wie sonst keiner?
    Das ist lange her, antwortete Kurz. Seitdem ist viel passiert. Selbst das Loch in den Bäumen, durch das man den Landtag sehen konnte, ist zugewachsen.
    Ist das wahr? Das tut mir leid. Das ist schade, wirklich!
    Einen Augenblick lang empfand Gundelach ein Schuldgefühl, als hätte er persönlich es versäumt, über die Fortführung der skurrilen Tradition zu wachen. Dabei hatte vermutlich nur jemand aus der Verwaltungsabteilung im Zuge der zahlreichen personellen Wechsel vergessen, sein Wissen als verschwiegene Verpflichtung weiterzugeben. Vielleicht schon Dr. Zucker, dem freie Durchblicke stets ein Greuel gewesen waren.
    Aber sonst, Andreas, sagte Gundelach bittend. Sonst ist doch vieles beim alten geblieben. So wie du es mir gezeigt hast. Das meiste. Eigentlich fast alles, oder? Selbst Zwiesel ist wieder da …
    Der Oberamtsrat löste sich aus seiner starren Haltung und lächelte.
    Weißt du, was man sich im Haus erzählt? Daß es nicht mehr lange dauern wird, bis du in die erste Etage umziehst.
    Und wohin dort?
    Na, in Wieners Zimmer natürlich. Daß es zwischen Specht und ihm nicht mehr stimmt, merkt doch jeder. Es heißt, Specht wolle dich gezielt zu seinem Nachfolger aufbauen und deine jetzige Position sei nur der erste Schritt dazu.
    Unsinn! sagte Gundelach heftig. Mit solchem Geschwätz wird mir meine Arbeit nur erschwert. Und ins Eckzimmer gehe ich sowieso niemals. Dort habe ich bisher nur Politiker sterben sehen. Kahlein, Schreiner, Rüthers – – und Wiener, wolltest du sagen.
    Nein. Wollte ich nicht.
    Im übrigen vergißt du Müller-Prellwitz. Der erfolgreichste deiner Vorgänger in dem Amt, das du jetzt bekleidest.
    Müller-Prellwitz … Für Sekunden schien es, als stünde die gedrungene Gestalt mit dem scharf geschnittenen Gesicht leibhaftig im Zimmer. Nein, als fliege die Tür auf und eine herrische Stimme riefe: Günter, ich brauch dich eben mal dringend! Und wie damals am Tag seiner Bewerbung, umringt, eingekesselt von den Herren Bertsch, Brendel, Bauer und Wickinger, hinabgedrückt in die demütigende Polstertiefe des schwarzen Ledersofas, erschreckt von der breit pendelnden, zitronengelben Krawatte jenes Mannes, dem er als Chef der politischen Planungsabteilung nachzufolgen sich anschickte, wie damals, da er ein Nichts, ein Parzifal voll naiver Gralssehnsucht gewesen war, fühlte Gundelach die Angst wieder in sich aufsteigen, die Angst vor der Allwissenheit einer Behörde, in deren mächtiger Grundsatzabteilung alle Informationsströme über sozialistische und außerparlamentarische Umtriebe zusammenflossen … Fühlte die Angst, entdeckt, davongejagt zu werden, als wäre eine unruhige, schlaflose Nacht seither vergangen und nicht die kleine Ewigkeit eines Dezenniums mit all seinen lindernden, heilenden, Erfolg und Mißerfolg in die Waagschale werfenden Ereignissen …
    Müller-Prellwitz ist nicht mein Vorgänger, sagte er trotzig. Und schon gar nicht mein Vorbild. Das

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