Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
Vom Netzwerk:
Palästen wehte die sterile Kühle der Klimaanlagen. Kühl und steril verlief auch die Unterredung mit Staatspräsident Hafiz al-Assad, dem Allmächtigen. Assad sah älter und fahler aus als auf den Transparenten, die Damaskus’ Straßen und Hauswände ödeten. Er wies jede Verbindung zu arabischen Terrorgruppen von sich und gab sich nicht viel Mühe, Interesse an den Besuchern zu heucheln.
    Militär überall. Im staubigen Flimmer des Golan, zwischen den Trümmern der Geisterstadt Kuneitra, im träge dösenden Weichbild der Metropole. Operettenhaft betreßte Ordonnanzen auf den Fluren des Verteidigungsministeriums, wo General Mustafa Tlass Audienz hielt. Auf seinem riesenhaften Schreibtisch erigierte das Modell einer Rakete phallisch zur Decke.
    Tlass produzierte sich als Künstler und Literat. Ihm sei es, sagte er, in seinem neuesten Buch gelungen, die ›Auschwitzlüge‹ unwiderlegbar zu entlarven, wofür ihm das inbrünstig bewunderte deutsche Volk sicher dankbar sein werde. Specht lächelte unbestimmt und schwieg. Abends ließ ihnen der General silberbeschlagene, bis zur Brust reichende Wasserpfeifen als Gastgeschenke ins Hotel bringen.
    Gundelach nahm sich vor, sein Exemplar zu Hause dem Fahrer zu schenken.
    Auf dem Rückflug betrachtete er gerade das im Sonnenlicht gleißende Zypern, als Specht ihn durch seinen neuen Persönlichen Referenten Welker ins First Class-Abteil rufen ließ. Dort eröffnete er ihm ohne längere Vorrede, daß er gedenke, ein Buch über Europapolitik zu veröffentlichen.
    Es müsse, erklärte er, Visionen enthalten, welche die Menschen wieder für die europäische Idee begeistern könnten. Dazu bedürfe es eines genauen Fahrplans für die politische Einigung des Kontinents. Und die Rolle der Regionen in diesem Prozeß müsse auch neu definiert werden, etwa in dem Sinne, daß sie die eigentlichen Bausteine der europäischen Entwicklung seien, während die nationalen Regierungen eher als Überbleibsel des vorigen Jahrhunderts zu gelten hätten.
    Er werde sich, fuhr Specht fort, Anfang August für zwei Wochen ins Kurhotel Unterstein zurückziehen. Gundelach sei eingeladen, dort ebenfalls einen Kurzurlaub zu verbringen. Dann könnten sie die Konzeption des Buches ausführlich besprechen und auch schon Kernaussagen skizzieren.
    Am besten machen wir eine Mischung, sagte er und nippte am Champagner, den die Chefstewardess ihm gereicht hatte. Eine Mischung aus Utopie und Fakten. Europa 2000. Die Geschichte, Konrad Adenauer, Jean Monnet, dann die Bürokratie, die Krisen, die Agrarlastigkeit. Brüssel nivelliert alles, was man national und regional besser erledigen könnte, während die Dinge, die eigentlich vereinheitlicht gehören, Forschungspolitik, Hochgeschwindigkeitszüge, Telekommunikation, die laufen weiter neben- und gegeneinander. Das muß deutlich rauskommen. Dann das Verhältnis zu den USA, die fehlende gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik. Natürlich auch die Währungspolitik, das Europäische Währungssystem funktioniert ja immer schlechter. Und die ganzen Veränderungen in Osteuropa, die fehlende Antwort auf Gorbatschows Initiativen, da müssen wir ein Modell der schrittweisen Annäherung entwickeln. Dann natürlich auch Japan, Südostasien, der ganze pazifische Raum mit seiner ungeheuren Aufbruchstimmung, die Rolle multinationaler Unternehmen, die bei ihren Standortentscheidungen Regierungen gegeneinander ausspielen. Europas Antwort muß die politische Einigung sein, der Bundesstaat. Am besten wäre es, wir würden eine ganz konkrete Verfassung entwerfen und das dann auch ein bißchen bunt und lebendig schildern, die Feiern am 1. Januar 2000, zum Beispiel, wenn der Traum von Europa Wirklichkeit wird …
    Specht sprach noch eine Weile weiter. Gundelach stand und hörte nicht mehr zu.
    Er blickte aus dem Kabinenfenster und wünschte sich, jetzt mit Benny an einem der Strände Zyperns Ball zu spielen. Zu baden und den Duft von Sonnenöl einzuatmen, wie Tausende Touristen tief unter ihm es auch taten.
    Während sie in Damaskus geschwitzt hatten, war Jean Tramp verhaftet worden. Das Landgericht folgte dem staatsanwaltschaftlichen Antrag und bejahte Fluchtgefahr.
    Specht war außer sich vor Zorn. Kalterer telefonierte mit dem Justizministerium und lief mit noch geheimniskrämerischer Miene herum als sonst. Nach vierzehn Tagen kam Tramp gegen Hinterlegung einer millionenschweren Kaution wieder frei. Specht erzählte im Kabinett, daß Tramp sofort nach seiner Inhaftierung dem

Weitere Kostenlose Bücher