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Monrepos oder die Kaelte der Macht

Monrepos oder die Kaelte der Macht

Titel: Monrepos oder die Kaelte der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Zach
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mit niemandem geteilt.
    Heike blickte zu Boden.
    War Frau Wolf in Wiesbaden dabei? fragte sie wie beiläufig.
    Ja, sagte Gundelach, sie war dabei. Du weißt, daß wir zu Parteitagen immer eine Sekretärin mitnehmen, falls Specht einen aktuellen Redebeitrag an die Presse verteilen will. Normalerweise macht das Frau Barth von der CDU-Geschäftsstelle, aber die ist kurzfristig erkrankt, und für sie ist meine Sekretärin eingesprungen. Das ist alles.
    Aha.
    Heike saß auf dem Sofa, die Beine schräg angewinkelt, so daß die Knie fast an die Brust stießen. Den linken Arm auf die Lehne gestützt, in der Rechten ein Buch haltend, eine leichte Decke trotz der milden Witterung über die Füße gebreitet. Fröstelnd, abgewandt, das Bild einer Schnecke. Sie las Marcel Prousts ›In Swanns Welt‹. Las oder hielt den blauen Umschlag auch bloß vors Gesicht.
    Hör mal, sagte Gundelach, so können wir das Thema doch nicht beenden.
    Wieso nicht?
    Weil es eine ungeheure Sauerei ist, was da passiert! Wer ist der Anrufer? Hast du seine Stimme erkannt?
    Sie ließ das Buch noch immer nicht sinken. Prousts kalkiges, konturenarmes Gesicht mit den starren Augen unter schweren Lidern blickte ihn an, sah durch ihn hindurch.
    Ich weiß nicht, sagte Heike langsam. Er verstellt jedes Mal seine Stimme. Wahrscheinlich hält er ein Taschentuch vor den Hörer.
    Es war also nicht der erste Anruf? Und du hast mir bisher nichts davon gesagt! Na wunderbar! Was erzählt er denn sonst so, der feine Herr?
    Laß. Ich will darüber nicht reden. Er ist jedenfalls immer sehr präzise. So präzise wie du.
    Gundelach fühlte eine kalte Angst in sich aufsteigen.
    Ist es jemand aus der Staatskanzlei?
    Endlich legte sie das Buch beiseite.
    Das ist nicht das Problem. Jetzt sah sie ihn gerade und ruhig an.
    Was ist dann das Problem?
    Es wäre besser, wir würden an dieser Stelle aufhören zu diskutieren. Bitte.
    Nein.
    Sie stritten ein Weile, bis Heike, bedrängt von ihrem Mann, verzweifelt ausrief: Das Problem ist, daß ich nicht mehr weiß, ob es mir noch etwas ausmachen würde, wenn die Verdächtigungen wahr wären!
    Dann zog sie mit beiden Händen die Decke über ihren Körper, breitete sie aus, als gelte es, ein Möbelstück in einer verlassenen Wohnung sorgfältig zu verhüllen und zog die Decke schließlich ganz über den Kopf.
    Es braute sich etwas zusammen.
    Jemand will mich vernichten, dachte Gundelach, und ich weiß, wer dieser Jemand ist. Ich müßte mir jetzt Zeit nehmen fürs Private, viel Zeit. Mit Heike reden, geduldig und ernsthaft. Mich um Bennys Fragen mehr als nur floskelhaft kümmern. Mit meiner Seele zu denen zurückkehren, die an mir zu zerbrechen drohen. Am besten wäre es, sofort Urlaub zu beantragen, um zu retten was zu retten ist.
    So dachte er, während er stumm auf die Konturen unter der Decke starrte, die sich ab und zu hoben und senkten und leicht erzitterten; und wußte doch, daß nichts von dem geschehen würde.
    Gerade jetzt gab es unendlich viel zu tun. Die Regierungserklärung (die wievielte, inzwischen?) mußte geschrieben werden, eine mühsame Angelegenheit, weil man im Grunde nichts Neues zu bieten hatte. Das einsetzende Tauziehen um die Rundfunkfusion deutete auf erbitterte politische und publizistische Auseinandersetzungen hin. Specht suchte tastend nach Themen und Profilierungsfeldern, konnte sich aber nicht recht entscheiden. Mal forderte er eine Art sozialen Arbeitsdienst für junge Arbeitslose, mal ließ er unverhohlene Sympathien für den jungen Wilden der SPD, Oskar Lafontaine, erkennen. Ein deutsch-französischer Fernsehsender, Kulturkanal genannt, sollte konzipiert und die legendäre Bildersammlung des Barons Thyssen-Bornemisza, für die der Schweizer Milliardär eine neue Bleibe suchte, in die Landeshauptstadt geholt werden, damit deren schaffiger Biedersinn durch ein wenig Münchner Pinakothekenflair aufgelockert werde. Und jede Menge Interviews waren vereinbart worden, in denen Specht, der Wahlsieger, das betuliche christdemokratische Weltbild durcheinanderwirbeln wollte.
    Es gab zwei Kraftzentren. Das eine hatte die laute Gewalt eines Taifuns. Das andere wich schweigend zurück.
    Im heißesten Juli reisten sie nach Syrien. Zuvor machten sie per Privatjet einen Umweg über Paris und beredeten während des Fluges mit einem Redakteur des Spiegel die bundespolitische Lage.
    Damaskus war ein Glutofen, die Berge ringsum von nachtlagernden Familien bevölkert, die der Hitze des Kessels entrinnen wollten. In den

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