Monrepos oder die Kaelte der Macht
Gefängnischor beigetreten sei und den Mithäftlingen ein großes Aquarium gestiftet habe. Es gebe nämlich in der Anstalt eine sehr rührige Gruppe von Zierfischfreunden.
Wenn der Tramp noch vier Wochen länger dort gewesen wär, sagte er, hätte er den ganzen Laden von Grund auf umorganisiert. Da hat ihn die Justiz lieber laufen lassen, das war denen zu gefährlich.
Gundelach begann mit den Vorarbeiten für das neue Specht-Buch. Er tat es wider besseres Wissen. Weder hatte er Zeit dazu noch spürte er irgendeinen inneren Antrieb, sich in den nächsten Monaten mit europäischen Visionen zu befassen. Es gab vieles, was ungleich wichtiger war.
Die geplante Rundfunkfusion hatte nicht nur die betroffenen Journalisten gegen die Regierung aufgebracht; auch die CDU-Fraktion fühlte sich von Specht übergangen und munitionierte die Journaille hinter seinem Rücken mit kritischen Argumenten. Die Unternehmensberater von McArthur zeigten sich von der Aufgabe, Hörfunk- und Fernsehprogramme an betriebswirtschaftlichen Kriterien zu messen, überfordert. Gundelachs Mitarbeiter, der Medienreferent Märker, mußte ihnen des öfteren die Hand führen. Eigentlich hätte er sich aber um die Privatsender kümmern sollen, die inzwischen wie Wildwuchs wucherten, weil sich die neue Landeskommunikationsanstalt mit ihrer Aufsichtsfunktion schwer tat.
Auch nach Bonn hätte Gundelach häufiger fahren sollen. Seit dem Wahlsieg war das Interesse der Medien an Oskar Specht wieder gestiegen. Seine Anwartschaft auf Kohls politisches Erbe war fast schon unbestritten. Kohl allerdings fühlte sich als Enkel Adenauers und nicht als Erblasser. Heiner Geißler, der Generalsekretär der CDU, profilierte sich immer stärker als eigenständige Kraft innerhalb der Union. Neben seiner machtbewußten intellektuellen Schärfe wirkte Kohls Regierungsstil tumb, Straußens Pomp provinziell.
Specht setzte auf Geißler, mehr denn je. Er teilte Geißlers Kritik am Bonner Regierungs-Establishment und reklamierte in der Bundes-CDU die Bereiche Wirtschaft und Zukunftssicherung für sich. Der Spiegel schrieb diese Rollenverteilung als Zukunftsmodell einer modernen CDU fest, vor dessen Verwirklichung nur ein dickfellige Hindernis stand: der Kanzler.
Gundelach spürte, daß die journalistischen Erwartungen an Specht drängender und konkreter wurden. Doch der Ministerpräsident versuchte immer noch, allen und allem gerecht zu werden. Den Meinungsmachern präsentierte er sich als ideenreicher Kritiker, der sich nur aus taktischen Gründen nach außen bedeckt hielt. Geißler, Norbert Blüm und Rita Süßmuth durften ihn zur eigenen Riege liberaler Querdenker zählen. Im Parteipräsidium aber muckte er, wie die anderen auch, nur selten gegen Kohl auf. Niemand wußte so recht, woran er bei Specht war. Doch jeder konnte ihn, wenn auch mit leisen Zweifeln, auf seiner Seite wähnen.
Vielleicht war das in der jetzigen Situation wirklich die einzig mögliche Strategie, um sich alle Optionen offen zu halten. Aber sie erforderte äußerste Wachsamkeit und ein schnell funktionierendes Informationsnetz. Der arglose Drautz besaß es nicht. Gundelach, der mittlerweile über einen guten Draht zum Spiegel verfügte, war weit weg vom Schuß. Und nun sollte er auch noch ein Buch schreiben.
Keine Frage, es lag ein Fehler in diesem Konzept. Doch Gundelach wehrte sich nicht. Fast schien es, als hätte die Apathie des Grubenpferdes wieder Besitz von ihm ergriffen.
Nach Unterstein fuhr er allein, obwohl Specht Heike und Benny ausdrücklich eingeladen hatte. Heike zog es jedoch vor, mit Benny die zweite Hälfte der Sommerferien an der Nordsee zu verbringen. Ehe sie zurückkehrte, machte sie in Hamburg Station und kaufte für ihre Uhlenhorster Wohnung eine neue Küche. Aber davon erzählte sie nichts.
Die Gespräche mit Specht verliefen kaum anders als vor Jahren im mainfränkischen Tennishotel. Specht überließ Gundelach ein paar Zettel mit handschriftlichen Notizen und redete sich einen Abend lang fusselig. Im übrigen telefonierte er und empfing Besuche.
Wolfgang Bönnheim kam fast täglich und hatte es wie immer wichtig und eilig. Er platzte schier vor Stolz: Es war ihm gelungen, Hans Heinrich von Thyssen-Bornemisza zur Ausstellung eines Teils seiner wertvollen Bilder in der Staatlichen Kunstgalerie der Landeshauptstadt zu bewegen. Ende November sollte die Schau ›Meisterwerke des 14.-18. Jahrhunderts‹ feierlich eröffnet werden.
Thyssen-Bornemisza habe sich beinahe schon
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