Monrepos oder die Kaelte der Macht
entschieden, seinen Milliardenschatz nicht dem Prado in Madrid zu überlassen, berichtete Bönnheim. Von den häuslichen Verhältnissen des Milliardärs plauderte der Staatsrat so anschaulich-vertraut, als frühstückte er zweimal wöchentlich in Bornemiszas Villa Favorita am Luganer See. Nur Tita, die spanische Gemahlin des Kunst-Tycoons, müsse man noch rumkriegen. Die wolle halt in der Madrider Gesellschaft aufgewertet werden und habe auch schon sichere Aussicht auf einen hohen spanischen Orden, wenn es ihr gelinge, Hans Heinrich doch noch für Madrid zu erwärmen. Der halte aber das Angebot Spechts für seriöser und die Räumlichkeiten in der Staatlichen Galerie für geeigneter, seinen riesigen Kunstbesitz zu verwahren. Und sein Sohn sehe es auch so. Im November könne man, mit etwas Glück, die Sache klarziehen.
Gundelach schlug spöttisch vor, die Baronin dann gleich mit der Landesmedaille zu empfangen. Er erinnerte sich an eine Einladung, die Specht für Thyssen-Bornemisza in seiner Dienstvilla gegeben hatte. Dort hatte der umworbene Baron mit marineblauem Jacket und Goldknöpfen auf dem schon etwas betagten Sofa der Familie Specht gesessen und artig-unverbindlich gelächelt. Festgelegt hatte er sich aber auf gar nichts. Doch Specht und Bönnheim träumten unverdrossen davon, mit Hilfe des Krösus in der Landeshauptstadt eine zweite Pinakothek zu gründen.
Wenn Bönnheim nicht von Lugano sprach, sprach er von Moskau, Leningrad oder Paris. In Vorbereitung des Kanzlerbesuchs bei Gorbatschow wollte Specht noch einige kulturelle Austauschprojekte mit Rußland unter Dach und Fach bringen. Auch mit dem französischen Kulturminister Jack Lang, der aussah wie ein Filmschauspieler, und seiner Staatssekretärin Madame Tasca, die sich schnell den Beinamen ›Die Eisenharte‹ erwarb, liefen Verhandlungen. Die Errichtung des deutsch-französischen Kulturfernsehens stand auf der Tagesordnung. Bönnheim flitzte zwischen den Metropolen hin und her und rapportierte die Kunststücke, die er vollbracht hatte.
Auch Gundelach bekam in Unterstein Besuch.
Werner Wrangel, den er seit dem Frühjahr nicht mehr gesehen und nur einige Male vom Autotelefon aus angerufen hatte, fragte, ob er sich mit ihm und dem MP zum Mittagessen im Kurhotel treffen könne.
Machen Sie das mit Wrangel, sagte Specht, als er vom bevorstehenden Besuch seines ›Doktorvaters‹ erfuhr. Vielleicht hatte er wirklich keine Zeit. Manchmal kam es Gundelach aber so vor, als wolle Specht an Werner Wrangel nicht mehr allzu konkret erinnert werden. In gewisser Weise war es wie mit den Büchern. Wenn das gewünschte Ergebnis vorlag, hatte der Urheber dahinter zurückzutreten.
Gundelach erschrak, als Wrangel ins Restaurant trat. Er sah blaß und müde aus, sein Lächeln wirkte gezwungen. Der Magen, sagte er, mache ihm etwas zu schaffen.
Er aß eine Suppe, nahm mehrere Tabletten und ließ das Hauptgericht stehen. Gundelach beschwor ihn, sich rasch ärztlich untersuchen zu lassen.
Ich rufe jeden Tag an und erkundige mich, ob du beim Röntgen warst, sagte er.
Irgendeine Veränderung in Wrangels Wesen, die er fühlte, ohne sie benennen zu können, machte ihm angst. Etwas Zerbrechliches hatte sich in des Freundes Körper eingeschlichen. Das war so fremdartig, daß Gundelach Mühe hatte, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren.
Wrangel berichtete von Kontakten, die er zu Hochschulen in der DDR aufgenommen hatte. Dort sei einiges im Wandel. Es gebe eine Art um sich greifender intellektueller Emanzipation vom Führungsanspruch der SED. Das müsse man genau beobachten und behutsam darauf reagieren. Ob Gundelach meine, daß Specht sich dafür interessieren werde?
Gundelach dachte an Spechts europäischen Baumeisterehrgeiz, seine Kulturverliebtheit und die fortwährenden innerparteilichen Profilierungsübungen. Trotzdem sagte er Ja. Specht wäre allerdings gerade ziemlich beschäftigt. Er werde ihm aber von Wrangels Hinweisen berichten. Das war nicht gelogen, nur unvollständig.
Als sich Wrangel verabschiedete, glaubte Gundelach in seinen Augen eine Spur Enttäuschung zu erkennen. Aufglimmende Trauer, die sich nicht gestattete, deutlicher zu werden.
Das Nichtsagen greift um sich, dachte er, als er wieder in sein Zimmer zurückgekehrt war und ins Untersteiner Tal hinunterblickte, das sich an der Nordseite des Bergrückens in ersten Schatten verdunkelte. Ich sage Werner nicht, wie wenig sich Specht noch für ihn interessiert, er sagt mir nicht, daß er es längst
Weitere Kostenlose Bücher