Monrepos oder die Kaelte der Macht
waren sie weder neu noch ausgeprägter als früher. Massiver als je hatte dagegen Gustav Kalterer seine Geschütze gegen den ungeliebten Geschäftsführer aufgefahren. Gundelach sah darin den durchsichtigen Versuch, die eigene Verantwortung für den Fall einer Niederlage abzuwälzen, und er vertraute darauf, daß auch Specht diesen Zusammenhang durchschauen werde. Doch Specht nahm offenbar für bare Münze, was Kalterer ihm einflüsterte. Vielleicht war er, nachdem er gerade erst das Kabinett in seiner Stromlinienförmigkeit belassen hatte, die Pörthnersche Widerborstigkeit auch endgültig leid und wollte Kalterers Anklagen Glauben schenken.
Gundelach war wie vor den Kopf geschlagen. Kalterers siegessicheres Lächeln verhieß nichts Gutes. Es schien sich nicht nur auf Vergangenes, sondern auch auf Kommendes zu richten.
Dem Rundfunk wandte sich Specht als nächstes zu. In der Tat waren von dort die kritischsten Kommentare und bissigsten Seitenhiebe zu hören gewesen. Gundelach ärgerte sich zwar, tröstete sich aber mit der Erinnerung, daß man dies schon zu Breisingers und Bertschs Zeiten nicht zu verhindern vermocht hatte – obwohl man damals die Intendanten und Chefredakteure beschwerdehalber noch einzubestellen pflegte. Doch hatte es je etwas genützt? Waren, umgekehrt, die journalistischen Schrapnelle je im Ziel gelandet, solange die Bevölkerung das Gefühl hatte, im großen und ganzen ordentlich regiert zu werden? Schwerer, fand er, war die scheinheilige Freundlichkeit zu ertragen, mit der sich manche Journalisten jetzt wieder an die Mächtigen heranpirschten, nachdem feststand, daß sie vier weitere Jahre mit ihnen auskommen mußten.
Specht aber war nicht bereit zu vergeben. Der Zeitpunkt für eine Revanche schien günstig. Die deutschen Rundfunkanstalten litten wieder mal unter Geldnot und drängten die Ministerpräsidenten, einer vorgezogenen Gebührenerhöhung zuzustimmen. Etliche Rechnungshöfe hatten dies als nicht erforderlich bezeichnet. Es gebe, meinten sie, noch genügend ungenutzte Einsparmöglichkeiten in den Funkhäusern. Specht zögerte nicht, sich dieses Hebels zu bedienen, und verweigerte seine Einwilligung zur Finanzaufstockung. In Gelddingen machte ihm niemand etwas vor.
Und dann hatte er noch eine spezielle Idee.
Wir machen, sagte er zu Gundelach, in dieser Legislaturperiode eine Fusion unserer beiden Landesrundfunkanstalten. Auf der Basis einer Strukturuntersuchung durch die Unternehmensberatung McArthur. Ich hab schon mit Eckert gesprochen, der ist bereit dazu. Die Sender sind auf Dauer zu klein, die Kosten zu hoch. Bei der Werbung verlieren sie immer mehr Anteile an die Privaten, und in der ARD werden sie vom Westdeutschen und Bayerischen Rundfunk an die Wand gedrückt. Wenn wir aber nur noch eine Anstalt haben, rangiert die sogar vor den Bayern.
Gundelach fand, das lasse sich hören. Der Widerstand werde allerdings beträchtlich sein.
Na und? sagte Specht. Deshalb machen wir’s ja jetzt und nicht vor den nächsten Wahlen. Stellen Sie einen Mann dafür frei. Ich rede mit Deusel und mit Ministerpräsident Vogel, wegen dem Staatsvertrag.
Und mit den Intendanten.
Später. Sagen Sie Zwiesel, er soll beim Finanzministerium überplanmäßige Mittel für das McArthur-Gutachten beantragen.
Ein genießerisches, fast verträumtes Lächeln umspielte Spechts Mund.
Und wenn wir das geschafft haben, murmelte er mehr zu sich selbst, gehen wir nochmal an die Bankenfusion. Die krieg ich schon noch klein, verlaß dich drauf.
Im Frühsommer kamen dann die ersten anonymen Anrufe. Wann genau, hat Bernhard Gundelach nie erfahren, denn Heike schwieg sich darüber aus. Erst nach Bernhards Rückkehr vom CDU-Bundesparteitag Mitte Juni in Wiesbaden sagte sie knapp: Es hat wieder jemand angerufen. Schöne Grüße, und er wolle mir nur mitteilen, daß du mit deiner Sekretärin in Wiesbaden ein Doppelzimmer bezogen hättest.
Gundelach mußte sich setzen.
Sag das nochmal, stammelte er.
Nein. Ich will es nicht wiederholen, und ich will eigentlich auch nicht weiter darüber reden. Selbst wenn es so wäre, was könnte ich ändern?
Es ist aber nicht so! schrie Gundelach. Morgen zeige ich dir die Buchung. Es war ein Einzelzimmer, hörst du, ein Einzelzimmer!
Schrei nicht so. Du weckst Benny auf. Im übrigen ist es ziemlich egal, ob Einzel- oder Doppelzimmer.
Da hast du recht, erwiderte Gundelach, ruhiger werdend. Ich versuche, präziser zu sein. Ich habe kein Doppelzimmer gebucht und mein Einzelzimmer
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