Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
waren steinhart. Das Brot allerdings, das aus einer Bäckerei weiter den Berg hinauf stammte, war köstlich, und hinterher konnten sie sich an der Tarte au Citron satt essen, deren intensiver Zitronengeschmack dazu diente, den vom Hauptgericht verursachten Karbongeschmack zu mildern.
Doch auch wenn das Essen nicht gerade eine Köstlichkeit gewesen war, so machte die entspannte Atmosphäre dies mehr als wett. Die Dupuys gingen ganz locker miteinander um, und der Gesprächsfluss riss nie ab, während sie freundschaftlich über Politik diskutierten und dabei überaus interessiert waren, die Ansichten ihrer ausländischen Nachbarn zu allem zu hören, ob es sich dabei um das französische Gesundheitssystem handelte oder um ihre Haltung zum Präsidenten.
Als ihr Teller endlich leer war, wischte sich Lorna den Mund mit ihrer Serviette ab und lehnte sich restlos zufrieden zurück.
»Ich kann nicht mehr essen!«, verkündete sie und tätschelte ihren Bauch als Kompliment für die Köchin.
André stieß ein trockenes Husten aus. »Bei der Kochkunst meiner Frau ist es ein Wunder, wenn man überhaupt mal was essen kann!«
Josephine hielt zum Zeichen der Kapitulation die Hände in die Höhe. »Schon gut, ich gebe es ja zu! Ich kann nicht kochen.« Sie blickte mit funkelnden Augen zu Lorna hinüber. »Vielleicht sollten Sie hierbleiben und es mir beibringen. Eröffnen Sie eine Kochschule! Stephanie könnte weiß Gott auch das eine oder andere über das Backen lernen!«
Sie saßen plaudernd da, bis ein entferntes Glockengeläut die Stunde schlug und Paul auf seine Uhr blickte. Es war bereits zehn, wie er voller Erstaunen feststellte, und er machte Lorna darauf aufmerksam, dass es Zeit wurde, zu gehen.
»Tut mir leid wegen der ganzen Gespräche über Politik bei Tisch«, sagte Christian, als er sie zum Wagen hinausbegleitete und sich herabbeugte, um Lorna auf beide Wangen zu küssen. »Papa hält sich für den nächsten José Bové. Aber immerhin haben sie Ihnen erzählt, wie dringend ich eine Ehefrau benötige!«
Er schüttelte Pauls Hand und dankte ihm erneut für seine Hilfe.
»Wir danken Sie auch«, erwiderte Paul. »Für ein wunderbares Essen!«
Christian lachte und schlug Paul auf die Schulter.
»Es stimmt also, was man so sagt. Engländer sind wirklich immer höflich!«
Er sah zu, wie sie die Auffahrt hinunterfuhren, und kehrteins Haus zurück. Bevor sie bei Sarkos Weide angelangt waren, hatte er schon zum Telefon gegriffen.
»Hallo, René. Ich bin’s. Hast du mal kurz Zeit? Es ist wegen der Auberge …«
Annie Estaque stand auf der Anhöhe an der Rückseite ihres Hauses und blickte zu den Sternen hinauf, die sich mit ihren scharfen Kanten und ihrem kalten Licht vom eisigen Nachthimmel abhoben, als das Scheinwerferlicht um die Ecke bog und die Dunkelheit zu durchdringen suchte, ehe es von dem dichten Wald geschluckt wurde.
Wer konnte das wohl um diese Zeit noch sein?
Sie wartete, den Blick aufmerksam auf die Straße gerichtet, bis der Wagen an einer anderen Kurve wieder zum Vorschein kam, und ihr Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln.
Die Engländer! Stephanie hatte angerufen und ihr erzählt, dass sie sie am Nachmittag zusammen mit Christian und André oben auf dem Hof gesehen hatte, und da waren sie nun, auf dem Nachhauseweg. Annie trug keine Uhr, aber sie wusste, dass es nach zehn sein musste, da sie vor einer Weile das Läuten der Glocken im Tal gehört hatte.
Sieh an, sieh an! Sie hatten also nicht nur bei der Suche nach dem Stier geholfen, sondern auch noch eines von Josephines Essen ertragen. Es sah ganz so aus, als wäre Josettes Plan aufgegangen, und hoffentlich würde Christian nun endlich seinen Hintern in Bewegung setzen und etwas auf die Beine stellen.
Was genau das sein könnte, wusste sie allerdings auch nicht. Sie hatte ihre letzten Möglichkeiten an diesem Morgen erschöpft, als sie all ihren Mut zusammengenommen und Thérèse Papon im Krankenhaus besucht hatte. Die Frau machte einen sehr schwachen Eindruck, hatte aber einLächeln zustande gebracht, das von aufrichtiger Freude zeugte, Annie zu sehen, die zögernd und nervös im Türrahmen stehen geblieben war.
Annie hatte sich für die Störung entschuldigt und angeboten, wieder zu gehen, wenn Thérèse es so wünschte, aber die hatte nur ihre schmale Hand ausgestreckt, und Annie hatte sie behutsam mit ihren eigenen breiten Händen ergriffen, sich neben sie gesetzt und ewig lange geplaudert. Sie hatte ihr von den Schäden
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