Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
Andere Gemeindemitglieder waren vorbeigekommen, um zu helfen, und hatten ihre Wagen am hinteren Ende des Dorfes geparkt, damit niemand Verdacht schöpfte. Bislang war zwar noch keiner erwischt worden,aber es schien nur eine Frage der Zeit, und Christian wollte nicht dabei sein, wenn der Bürgermeister herausfand, was hinter seinem Rücken vor sich ging.
Da er sich vor Nervosität ständig am Kopf kratzte, standen Christian inzwischen die Haare zu Berge, so auch, als er nun auf der Rückseite der Auberge aus seinem Panda kletterte. Froh, Renés Lieferwagen bereits außer Sichtweite der Straße dort geparkt zu sehen, streckte er seinen kräftigen Körper. Seine Muskeln protestierten bei dem Gedanken an vier weitere Arbeitsstunden. Aber sie waren ja beinahe fertig. Paul hatte die ganze Verkabelung erledigt, sodass sie den Heizkessel zu dritt installieren konnten, und heute Abend wollten sie ihn ausprobieren. Was auch gut war, da die Websters, abgesehen von dem Holzofen in der Ecke des Speiseraums, seit drei Tagen – seit René das alte System abgeklemmt hatte – ohne Heizung waren, und das war bei diesen Temperaturen wirklich kein Spaß.
Aber Lorna hatte sich kein einziges Mal beschwert. Sie lächelte eigentlich ohne Unterlass, seit sie am letzten Freitag in der Auberge aufgetaucht waren, und sie brachte jeden Abend für alle, die gekommen waren, um zu helfen, ein leckeres Essen auf den Tisch. Manchmal waren es zehn Leute, die um den großen Tisch herumsaßen, manchmal nur sechs oder sieben. Und inzwischen waren alle mit den Websters per Du. Monique Sentenac hatte oft in ihrem Friseursalon zu tun, und Josette und Véronique mussten sich abwechseln, da es, wie Josette richtigerweise zu bedenken gab, auffallen würde, wenn der Laden regelmäßig geschlossen wäre.
Christian verspürte einen gewissen Stolz darauf, wie engagiert seine Nachbarn die Sache unterstützten. Die fleckigen Zimmerdecken hatten eine frische Farbschicht erhalten, Annies Teppiche lagen nun im Flur und im beanstandeten Gästezimmer, und Moniques Bett war aufgebaut. Aberselbst als alle notwendigen Arbeiten für die Prüfung erledigt waren, kamen die Leute weiter vorbei. Sie putzten die Fenster und wuschen die alten Gardinen und Vorhänge, räumten das Gerümpel aus dem Keller, das sich über die Jahre dort angesammelt hatte, und halfen Lorna, die Haufen dreckiger Bettwäsche zu waschen und zu bügeln, die von den Loubets zurückgelassen worden waren. Nach fünf Tagen war die Auberge kaum wiederzuerkennen.
Nun, da er sich ein wenig frischer fühlte, spurtete Christian die Stufen hinauf und öffnete die Hintertür.
»Bonsoir!« Die versammelte Gruppe von Leuten an der Bar machte viel zu viel Lärm, um ihn zu hören. Stephanie hüpfte auf der Stelle, René klopfte Paul auf die Schulter, Annie lachte gackernd, und Véronique, die Lorna umarmte, sah einfach so … so … Christian hatte einen Aussetzer, als sich sein Verstand weigerte, den Satz zu beenden. Er blinzelte und betrachtete sie ein weiteres Mal. Der eng anliegende Pullover und die Schlaghose stellten eine gewaltige Verbesserung im Vergleich zu den unförmigen Röcken und Strickjacken dar, die dem Feuer zum Opfer gefallen waren. Als seine Augen unfreiwillig über ihre Rundungen wanderten, erinnerte er sich mit einem Mal wieder an den Moment im Krankenhaus und an seinen flüchtigen Blick auf ihren perfekten … Ausgerechnet in diesem Augenblick schaute sie auf, ihre Blicke begegneten sich, und sein Gesicht begann zu glühen.
»Christian!«, kreischte Stephanie, die ihn entdeckte, wie er in der Türöffnung stand. Sie hüpfte auf ihn zu, schlang die Arme um ihn, und er, dankbar für die Ablenkung, schwenkte sie im Kreis herum. Erst als er sie wieder auf dem Boden abstellte, sah er, dass Véronique, deren Gesicht eben noch vor Freude gestrahlt hatte, nun ein gezwungenes Lächeln trug.
Für einen Moment kam er sich unsinnigerweise so vor, als hätte er einen Treuebruch begangen, rückte ein wenig von Stephanie ab und wandte sich an die anderen.
»Was gibt es denn zu feiern?«
Lorna reichte ihm zwei Briefe, die er rasch überflog. Im ersten wurde eine zweite Prüfung für die Hôtel de Tourisme -Zulassung am 26. Januar angekündigt, was eine großartige Neuigkeit darstellte. Aber eigentlich war es der zweite Brief, der alles veränderte.
»Ich glaub’s nicht!«, rief er. »Der Bürgermeister hat eine zweite Brandschutz- und Sicherheitsprüfung für denselben Tag angeordnet. Wieso sollte er
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