Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
Vom Netzwerk:
Theke auf der Rückseite des Ladens, halb verborgen hinter Wurstketten, die von der Decke herabhingen. Sie beobachtete sie aufmerksam, während sie ihre Einkäufe auswählten.
    Sie war zierlich, ihr ergrauendes Haar zu einem gepflegten Bubikopf geschnitten. Lorna schätzte sie auf Anfang sechzig. Sie lächelte sie freundlich an, und ihre Augen funkelten hinter den Brillengläsern, als das Paar seine Waren zur Theke hinübertrug. Aber dann hatte Paul das Brot auf eine Glasvitrine in der Nähe der Kasse gelegt, woraufhin sie es mit einem Stirnrunzeln eilig von dort heruntergenommen,ihm zurückgegeben und demonstrativ das Mehl vom Glas gewischt hatte, wobei sie zur Vorderseite des Ladens geschaut und etwas vor sich hingemurmelt hatte. Lorna drehte sich um, hatte aber niemanden entdecken können.
    »T-tut mir leid«, stotterte Paul, und sofort kehrte ihr Lächeln zurück. Die Kasse ignorierend notierte sie die Preise jedes Artikels auf einem Notizblock, der mit den Jahren schon gelb geworden war, addierte die Zahlen mit einer Geschwindigkeit, die nahelegte, dass sie im Kopfrechnen hervorragend war, schrieb dann die Endsumme auf und drehte den Block, sodass sie sie ablesen konnten.
    Sie wusste ganz offenbar, dass sie Ausländer waren.
    Als Lorna der Frau das Geld reichte, lehnte sich diese über die Theke und flüsterte: »Sind Sie die neuen Besitzer?«
    Sie hatte dabei zur Auberge hinübergezeigt. Ihr Französisch war sehr deutlich und leicht zu verstehen.
    »Ja! Die neuen Besitzer«, bestätigte Paul mit einer Stimme, die in dem stillen Ladeninneren mit einem Mal sehr laut klang.
    »Schhhh!«, zischte die Frau und schaute zum Durchgang neben der Theke hinüber, der in einen benachbarten Raum führte. Doch es war offenbar bereits zu spät.
    »Josette? Wer ist da?«, ertönte eine laute Stimme von dort.
    Die Frau verdrehte die Augen, während Paul und Lorna einander ansahen. Sie hatten keine Ahnung, was vor sich ging. Dann war zu hören, wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde, und Lorna war sich sicher, dass die Frau »Merde« flüsterte, als jemand schwerfällig aufstand.
    »Josette, hast du mich gehört?«
    Die Stimme war nun noch lauter und voller Autorität, und dann war er da, ein breitbrüstiger Mann mit kurzen,stämmigen Beinen und Armen, die darauf hindeuteten, dass er vor seiner Pensionierung körperlich gearbeitet hatte, und seine Gestalt füllte den ganzen Türrahmen aus. Sein Kopf, der zu groß zu sein schien für seinen Körper, gipfelte in einer hervortretenden Stirn und Augen, die sie berechnend taxierten.
    Während er so dort stand und sie abschätzend betrachtete, breitete sich langsam ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, und Lorna glaubte, die Macht förmlich riechen zu können, die er ausstrahlte. Doch als er näher trat, bemerkte sie, dass es sich lediglich um sein Rasierwasser handelte.
    »Willkommen! Willkommen!«, rief er mit dröhnender Stimme und hielt Paul seine ausgestreckte Hand hin. »Ich bin der Bürgermeister. Der Bürgermeister von Fogas!«
    Bei der Erinnerung daran musste Lorna unwillkürlich lächeln. Ihre offizielle Begrüßung in der Gemeinde hatte mehrere Gläser Pastis beinhaltet, die in der Bar neben der Épicerie serviert worden waren. Und was für eine Bar das war! Im Grunde nicht mehr als ein Raum mit einem sehr langen Tisch, der sich in der Mitte erstreckte und auf dem eine alte Plastikdecke lag, die mit Brandlöchern übersät war. Dazu ein riesiger Kamin in der Hinterwand, der das Zimmer dominierte. Die Dame aus dem Laden fungierte gleichzeitig als Kellnerin, während der Bürgermeister Paul und sie zum Trinken nötigte und Hof hielt. Er hatte einen anderen Mann angerufen und ihn gebeten, sich ihnen anzuschließen. Dessen Französisch war leichter zu verstehen gewesen als das des Bürgermeisters, auch wenn er ihnen ein bisschen überheblich und weniger freundlich vorgekommen war.
    Wie war noch einmal sein Name?
    Lorna blieb stehen, um nachzudenken. Sie lehnte sich gegen die Mauer der Brücke, wo die Straße einen kleinen Fluss überspannte, der in einen viel größeren mündete. Zuihrer Linken konnte sie die Auberge sehen, die gefährlich nah am Rande des Wassers thronte, während der Fluss um sie herum und über das Wehr toste.
    Pascal! Das war es. Pascal.
    Lorna hatte den nachhaltigen Eindruck gewonnen, dass Pascal sie die ganze Zeit über von oben herab betrachtet hatte, während Paul weniger negativ eingestellt gewesen war, aber einräumte, dass man um einen solchen Zinken,

Weitere Kostenlose Bücher