Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
aufzutupfen, brachte damit aber den Tisch noch mehr zum Wackeln.
Serge biss erneut die Zähne zusammen und griff über den Tisch hinweg, um eine Hand auf Bernards Arm zu legen. Seine knotigen Finger gruben sich in das weiche Fleisch. Bernard erstarrte, seine Augen begegneten denendes Bürgermeisters, und was er darin sah, ließ ihn regungslos verharren.
»Hör mir zu. Hör mir ganz genau zu. Glaubst du, dass du das schaffst?«
Bernard schluckte vernehmlich und nickte dann.
»Gut«, fuhr Serge fort und fixierte den cantonnier weiter mit einem Blick, der diesen wie paralysiert auf dem Stuhl hocken ließ. »Also, du sollst Folgendes für mich erledigen …«
Christian war spät dran, was ihm gar nicht ähnlich sah. Er verstand sehr wohl, warum die Versammlungen des Gemeinderats im Winter vorverlegt wurden. Kein Mensch hatte Lust, die Bergstraßen am späten Abend entlangzufahren, wenn sie schon vom Frost überzogen waren. Aber der frühere Beginn bedeutete, dass er sehr viel weniger erledigen konnte, und heute hatte er es nicht einmal geschafft, sich zu rasieren!
Er warf einen kurzen Blick in den alten Spiegel im Flur, der mit den Jahren so blind geworden war, dass er nur noch ein mattes Abbild zeigte. Ganz passabel. Es gab ja schließlich niemanden, den es zu beeindrucken galt. Trotzdem fuhr er sich mit der Hand durch das noch feuchte Haar, in der vergeblichen Hoffnung, damit seine Locken zu bändigen.
»Bist du jetzt weg?«
Er drehte sich im Flur um, als ihn seine Mutter ansprach, und nickte.
»Soll ich dir etwas vom Abendessen aufheben?«
Christian versuchte das energische Kopfschütteln seines Vaters zu ignorieren, der hinter seiner Frau stand.
»Nein, nicht nötig«, sagte er, ein Lächeln unterdrückend. »Ich werde unterwegs was essen.«
Er war sich zwar nicht sicher, wo, weil das Restaurant in der Auberge ja geschlossen war, aber das Essen seiner Mutter war schon schlimm genug, wenn es frisch aus dem Ofen kam, da musste er das Schicksal nicht mit einer aufgewärmten Mahlzeit von ihr herausfordern. Offenbar war sein Vater derselben Meinung, da er mit einem übertrieben verschwörerischen Zwinkern reagierte.
»Das habe ich gesehen!«
»Was denn?«
»Das Zwinkern!«
»Was für ein Zwinkern? Ich hatte was im Auge!
Die Neckereien seiner Eltern brachten Christian zum Schmunzeln. Er zog sich seine Jacke über und trat in den Spätnachmittag hinaus. Nach Westen hin verschwand die Sonne langsam hinter den Bergen und ließ einen rotgestreiften Himmel zurück. Die Luft hatte sich merklich abgekühlt. Für die nächsten Tage war Schnee vorausgesagt, und angesichts des Temperatursturzes und der heranziehenden Wolken war sich Christian sicher, dass die Vorhersage eintreffen würde. Er hoffte nur, dass sie nicht wieder einen ganz so strengen Winter bekamen. Nach den Kosten für die Impfungen gegen die Maulkrankheit konnte er gut darauf verzichten, auch noch monatelang Futter hinzukaufen zu müssen. Ein kurzes Winterintermezzo, ein baldiger Frühling und ein langer Sommer – das wäre perfekt!
Der Panda sprang trotz der Kälte beim ersten Versuch an. Christian drehte die Heizung auf. Bei voll laufendem Gebläse machte er sich auf den Weg hinunter nach Picarets. Zu seiner Linken lag Weideland, das sanft abfiel – sein Land, das schon von Generationen von Dupuys vor ihm bewirtschaftet worden war. Was jedoch die Zeit nach ihm anging … Christian verdrängte den Gedanken und konzentrierte sich stattdessen auf Sarko, seinen preisgekröntenLimousin-Stier, der mit den Hufen scharrend und schnaubend in der Mitte einer der Weiden stand. Wenn Christian nicht schon spät dran gewesen wäre, hätte er womöglich angehalten, um nachzusehen, ob auch alles in Ordnung war, aber so fuhr er weiter. Schließlich hatte ihm die Erfahrung gezeigt, dass dies ein ganz alltägliches Verhalten für eines der eigenwilligsten Tiere war, die er jemals das Pech gehabt hatte zu besitzen. Nachdem er vorbeigefahren war, warf er einen kurzen Blick in den Rückspiegel und stellte erfreut fest, dass sich der Stier wieder beruhigt hatte. Etwas Orangefarbenes blitzte für einen Moment in der Ecke des Spiegels auf und erregte seine Aufmerksamkeit, aber als er versuchte herauszufinden, was es war, sah er nur noch das kleine Wäldchen, das den Rand von Sarkos Weide umgab.
Christian wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu, und bald schon war das kleine Landhaus mit dem tadellosen Vorgarten und den mitternachtsblauen Fensterläden in
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