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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
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Rücken getragen, weil er nicht auf Pferd und Wagen vertrauen wollte. Willensstark, stur und geradeheraus. Annie war in der Tat eine vom alten Schlag!
    Als er sich dem Hof näherte, sah Christian, dass sie draußen war und auf der Rückseite des Hauses die Hunde fütterte. Also drückte er auf die Hupe. Sie richtete sich auf, beschattete mit der Hand die Augen gegen die tiefstehende Sonne, um den Wagen erkennen zu können, und hob mit einer energischen Bewegung den Arm, was Christian als Gruß deutete, bei Annie aber genauso gut Verzieh dich! heißen konnte.
    Er grinste bei dem Gedanken an ihren Anruf. Sie hatte schon immer unverblümt ihre Meinung gesagt. Aber in all der Zeit, die er sie kannte, war es dabei niemals um etwas anderes gegangen als die Landwirtschaft. Die richtige Art und Weise, eine Kuh zu melken. Die richtige Zeit, das Heu einzubringen. Der richtige Laden, um Futter zu kaufen. Nicht ein einziges Mal hatte er gehört, wie sie ihre Meinung zu Dingen kundtat, die die Gemeinde betrafen. Sie hatte die Gesellschaft anderer immer gemieden, und das wurde respektiert.
    Aber nun hatte sich das geändert. Zuerst hatte sie das Vorhaben des Bürgermeisters in Frage gestellt, als dieser die Auberge kaufen wollte, was dazu führte, dass Christian sich ihm widersetzt hatte. Dann hatte sie am Montag zur Mittagszeit angerufen, sich furchtbar über die Prüfung der Auberge aufgeregt und resolut erklärt, dass man dem Bürgermeister nicht erlauben dürfe, sie zu schließen. Und es war ihr gelungen, Christian davon zu überzeugen, dass sie recht hatte, was obendrein noch sein Gewissen beruhigt hatte.
    Seine größte Sorge galt der Zukunft der Gemeinde und ob sie auf lange Sicht lebensfähig sein würde. Sie benötigten Zuzügler, die sich in der Gegend niederließen, Kinder mitbrachtenund Steuern zahlten, denn nur so konnten sie die Schulen offen und die Wirtschaft am Leben halten.
    Aber noch wichtiger war, dass es Arbeit gab, um diese Menschen zu halten, sonst würden sie binnen kurzem wieder wegziehen, so wie Christians Generation in der Vergangenheit und wie es die Generation nach ihm in Zukunft tun müsste. Und Fogas, La Rivière und Picarets würden zu einer bedeutungslosen Ansammlung unbewohnter Häuser werden wie die Sommerweidendörfer hoch in den Bergen.
    Annie hatte schon recht, wenn sie betonte, dass die neuen Besitzer der Auberge nicht nur bereit waren, einen heruntergewirtschafteten Betrieb zu übernehmen, um ihn aus der Krise zu führen, sondern obendrein auch noch eine Einheimische angestellt hatten. Das war genau das, was die Gemeinde brauchte. Da war es doch egal, dass ihre Kochkünste nicht ganz denen eines Franzosen entsprachen – auf lange Sicht spielte das keine Rolle. Viel wichtiger war, dass die Gemeinde solche Leute willkommen hieß und alles in ihrer Macht Stehende tat, um sie zu halten. Und das bedeutete, ihnen den Rücken zu stärken.
    Also befand sich Christian nun auf einer Mission. Es würde nicht leicht werden. Schließlich war er derjenige, der die Prüfung ursprünglich vorgeschlagen hatte – wenn auch nur, um das drastische Vorhaben des Bürgermeisters zu verhindern. Aber er war zuversichtlich, die vernünftigeren Mitglieder des Conseil Municipal überzeugen zu können, dass es im Interesse der Gemeinde war, den neuen Besitzern Zeit zu geben, die empfohlenen Reparaturen vornehmen zu lassen, ohne dabei die Auberge zu schließen, und ihnen somit die Gelegenheit zu geben, Geld zu verdienen. Es war keine Überraschung, dass Christian, seitdem er zu dieser Ansicht gelangt war, sehr viel besser schlief.
    Als er um die letzte Kurve bog, erblickte er weiter unten die Auberge . Das Sonnenlicht war bereits von ihrer Vorderseite verschwunden, und sie lag im tiefen Winterschatten. Er fragte sich, ob die Besitzer wohl irgendeine Vorstellung von den Machenschaften hatten, die mit ihrer Ankunft einhergegangen waren. Er fuhr weiter, erleichtert, endlich die Rolle des Friedensstifters spielen zu dürfen, in der er sich sehr viel wohler fühlte.
    Christian hatte ohne sein Wissen an jenem Tag bereits schon einmal die Rolle des Friedensstifters gespielt. In exakt demselben Moment, als er in seinen Rückspiegel geschaut hatte, um einen prüfenden Blick auf Sarko, den Stier, zu werfen, befanden sich Lorna und Paul mitten in einer Diskussion, wie sie ihren Nachmittagsspaziergang beenden sollten. Sie waren die Straße Richtung Picarets hinaufmarschiert in der Absicht, einen Rundgang durch die Gemeinde zu

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