Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stagg
Vom Netzwerk:
unternehmen auf dem Pfad, der über die Berge nach Fogas führte, um dann über die Straße nach La Rivière zurückzukehren. Aber sie hatten weder die steilen Anstiege noch die Kürze der Tage einkalkuliert. Bis Picarets waren sie gut vorangekommen und dann über den Fußweg weitermarschiert, der aus dem Ort hinausführte, aber als sie in den immer länger werdenden Schatten der Bäume auf dem Pfad oberhalb der Straße standen, waren sie in eine hitzige Diskussion geraten.
    »Sieh doch.« Paul zeigte auf eine Ansammlung von Gebäuden in der Ferne. »Das Gehöft dort ist hier auf der Karte eingezeichnet. Wir müssen nur daran vorbei, und dann sind wir auch schon fast da.«
    »Fast da?«, Lornas Stimme schnellte bei dem zweiten Wort in die Höhe. »Du vergisst den Anstieg, der danach folgt, dann müssen wir bis hinunter ins Tal und wieder hinaufnach Fogas. Von dem Weg, der dann noch bis zur Auberge zurückzulegen ist, ganz zu schweigen.«
    »Aber das ist doch halb so wild«, sagte Paul verächtlich. »Maximal zwanzig Minuten bis Fogas und dreißig Minuten nach unten. Das schaffen wir locker, bevor es dunkel wird.«
    Lorna blickte nach Westen, wo die Sonne ermattet am Horizont hing. »Nein, Paul. Nicht heute.«
    Bevor er protestieren konnte, wurde Lorna von einem kleinen blauen Wagen abgelenkt, der über die Straße unter ihnen fuhr. Der Fahrer reckte gerade den Hals, um etwas in seinem Rückspiegel zu betrachten.
    »Das ist doch der Mann, der uns zugewunken hat!«, rief sie. »Weißt du noch? Im November, an dem Tag, als wir uns die Auberge noch einmal angesehen haben.«
    »Hmm?« Paul blickte von der Karte auf. »Der? Der sieht aber viel dicker aus.«
    »Dicker?« Lorna wandte sich verdutzt ihrem Ehemann zu und sah, wie er zu einem anderen Mann hinüberschaute, der zwischen den Bäumen der Weide auf der anderen Seite der Straße hervortrat. Er trug eine Baskenmütze in einem leuchtenden Orange und eine Camouflagehose. »Nicht der, der Mann in dem Auto!«
    Aber der Wagen war längst verschwunden, und der Mann auf der Weide sah sehr viel interessanter aus.
    Sie beobachteten fasziniert, wie er mit eigenartig torkelnden Bewegungen, sich hier und dorthin wendend, die offene Fläche unter ihnen überquerte, als hätte er einen Pastis zu viel getrunken. Dann warf er sich mit einem Mal auf die Erde und legte die letzten Meter auf dem Bauch kriechend zurück, wie ein gestrandeter Wal, der Zentimeter für Zentimeter auf das Meer zurobbt, wobei er den Kopf ständig hin und her drehte, als halte er nach einer Gefahr Ausschau.
    »Was zum Teufel …?«, flüsterte Paul.
    »Heute ist Mittwoch. Er muss auf der Jagd sein!«
    »Auf der Jagd wonach? Und wo ist sein Gewehr?«
    Der Mann hob am Rand der Weide vorsichtig den Kopf und blickte prüfend die Straße hinauf und hinunter. Da war kein Verkehr, weit und breit keine Menschenseele. Zufrieden, dass er unbeobachtet war, begann er unter dem einzelnen Draht hindurchzukriechen, der ihm den Weg versperrte, auch wenn sein massiger Körper dort nur mit Mühe hindurchpasste.
    »Ist das nicht ein …«, begann Lorna, als das Hinterteil des Mannes unter dem Draht hindurchrutschte, ihn dabei aber berührte. Sie vernahmen einen gedämpften Aufschrei von der anderen Straßenseite, als zweitausend Volt durch die Fettschichten schossen, die seinen Hintern bedeckten.
    »… Elektrozaun. Oh Gott, das muss wehgetan haben«, murmelte sie, aber Paul hörte ihr gar nicht zu. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, einen Lachanfall zu unterdrücken, während ihm die Tränen über das Gesicht liefen.
    Unbeeindruckt von dem Schlag hastete der Mann die Straße hinunter und rieb sich den Hintern, als er auf das Gatter der benachbarten Koppel zuwatschelte. Mit einem letzten verstohlenen Blick entriegelte er es und schwenkte es auf.
    »Ist das nicht die Weide mit dem …«
    »STIER!«, zischte Paul, als auch schon das gewaltige schnaubende Biest mit irrem Blick in Richtung Freiheit stürmte, den Kopf zwecks Anpeilung des Objekts seines Angriffs – der leuchtend orangefarbenen Baskenmütze – hin und her warf und dabei Schaumspritzer durch die Luft wirbeln ließ.
    Paul und Lorna sahen mit offenem Mund zu, wie der Mann jegliche verstohlene Fortbewegung aufgab und in Richtung der rettenden ersten Weide davonrannte.
    Seine fetten Beine zitterten, während er die kurze Strecke zurücklegte, und die Erde bebte unter ihm, als der Stier durch das Gatter donnerte und hinter ihm herjagte. Das Tier witterte seine

Weitere Kostenlose Bücher