Monsterkopf
Gäste sah, wie ich mein Kreuz hervorholte.
Wie immer lag es wunderbar sicher in meiner Hand, aber einen Wärmestoß bemerkte ich nicht.
Mit dem Kreuz in der Hand drehte ich mich dem Bild entgegen. Nicht zum ersten Mal erlebte ich so etwas, denn wir hatten schon manches Bild kennen gelernt, das ein Geheimnis in sich barg.
Auch hier?
Niemand sah, wie ich meinen Talisman in die Nähe des Gemäldes brachte, denn Suko machte seine Sache ausgezeichnet.
Ich konzentrierte mich, erlebte in den nächsten Sekunden keine Veränderung, doch als ich näher mit dem Kreuz an das Bild herankam, geschah es.
Es fing mit der Wärme an, die über meine Hand strich. Nur blieb es nicht dabei, denn auch das Bild veränderte sich.
»Das ist doch...«, flüsterte Suko.
»Was denn?«
»Schau selbst!«
Ich hatte mich bisher nur auf das Kreuz konzentriert. Nun hob ich den Blick, und meine Augen weiteten sich ebenso wie die meines Freundes Suko.
Das Gesicht lebte!
Da waren Bewegungen, als würde man in einen Haufen lebender Würmer schauen. Die nackten kleinen Frauen- und Männerkörper zuckten, dehnten sich, senkten ihre Köpfe, rollten sich zur Seite, und ich hielt meinen Blick auf den nackten Frauenkörper gerichtet, der die Nase bildete. Auch er war nicht mehr ruhig, denn der Körper drehte und dehnte sich mit lasziven Bewegungen.
Das war nicht zu fassen!
Die Körper pressten sich gegeneinander, sie streichelten mit ihren Händen über die Haut, und das Gesicht bekam völlig andere Proportionen, sodass es mehr schief aussah und wir befürchten mussten, dass die Körper den Halt verloren und einfach wegrutschten.
Dazu wollte ich es nicht kommen lassen. Nach sehr kurzer Zeit schon zog ich das Kreuz zurück und ließ es wieder verschwinden.
Wir gingen davon aus, dass die Körper zwar ein Ganzes bildeten, aber trotzdem ein Eigenleben führten, das sie jetzt wieder unter Beweis stellten, denn die nackten Leiber zogen sich in ihre ursprünglichen Positionen zurück, wo sie auch zur Ruhe kamen.
Ja, es war... Nein, Moment mal! Es sah nicht mehr so aus wie eben noch. Irgendetwas war anders geworden. Es fiel uns beim ersten Hinschauen zwar auf, und doch wussten wir nicht, was es genau war.
Suko entdeckte den Fehler zuerst. »John, es liegt an der Nase. Schau mal.«
Tatsächlich, die Nase hatte eine andere Stellung bekommen. Es gab zwar noch den Körper der nackten Frau, aber der wies uns nicht mehr seinen Rücken zu, sondern jetzt die Vorderseite mit den kräftigen Brüsten.
Zunächst mal schüttelte ich den Kopf. »Du hattest Recht. Aber was steckt dahinter?«
»Frag dein Kreuz.«
Ich nahm einen Schluck Bier, weil ein Kratzen in meiner Kehle entstanden war. »Die Antwort kann ich mir auch selbst geben. Das Gemälde ist dämonischen Ursprungs. Sein Erschaffer muss etwas mit finsteren Mächten zu tun gehabt haben. Eine andere Erklärung weiß ich nicht. Man müsste ihn finden.«
»Du wirst schon Probleme haben, wenn du seinen Namen erfahren willst.«
»Stimmt leider.« Ich entfernte mich von dem dämonischen Kunstwerk und blieb an der Theke stehen. Sehr genau fiel mir auf, dass mich jemand beobachtete. Es war der Jäger, der seinen Platz schräg gegenüber gefunden hatte und uns unter Kontrolle hielt.
»Ziehen wir uns zurück, John?«
»Sicher. Es ist wie in einem Museum. Wir werden uns noch andere Bilder anschauen.«
»Okay.«
Ich gab dem Wirt ein Zeichen, legte Geld auf die Theke und ging. Als wir in der Höhe des Jägers stehen blieben, streckte der Mann uns seinen Arm entgegen.
»Manchmal sollte man bestimmte Dinge ruhen lassen, wenn man fremd ist.«
»Danke, wir werden daran denken.«
»Hoffentlich.«
Danach gingen wir.
***
Kate Boone hatte die beiden Männer nicht angelogen. In diesem Ort fühlte sie sich wirklich unwohl. Sie war fremd, okay, aber dass man Fremde so kalt abfahren ließ und nicht mit ihnen ins Gespräch kommen wollte, hatte sie nur selten erlebt.
Ihre Fragen waren nicht beantwortet worden. Niemand wollte Matt Ramsey richtig kennen, und auch bei seiner Schwester war sie auf Granit gestoßen.
Hoffnung gaben ihr John Sinclair und Suko, aber auch Kate wollte etwas dazu tun. Deshalb war sie nicht auf ihrem Zimmer geblieben, als Sinclair und sein Freund in die Gaststube gegangen waren. Es war jetzt wichtig, die Augen offen zu halten, denn sie hatte das Gefühl, dass sich Egerton bei Anbruch der Dunkelheit noch mehr veränderte, und das nicht eben hin zum Positiven.
Wie bei Gasthäusern üblich, lag
Weitere Kostenlose Bücher